Hauswand mit Hang welcher mit Steinen gefüllt ist.

Liebe garten- und naturbegeisterte Leserinnen und Leser, stellen Sie sich vor, es ist Frühling und keine Blumen blühen! Ein Witz? Mitnichten, denn wenn dieser Schotter-Split-Steinöden-Virus weiter in unseren Gärten grassiert, dann wir das leider bald Realität.

Glücklich kann sich jemand schätzen, der einen blühenden Garten sein Eigen nennt. Schalten und walten nach Lust und Laune, bunt, bunter am buntes ten. Der Fantasie sind (leider) keine Grenzen gesetzt. Obwohl, mit Fantasie hat der neue Trend, der seit einigen Jahren vor allem in Neubauquartieren um sich greift, rein gar nichts mehr zu tun. Denn was bitte schön ist fantasievoll an einem Garten, der aussieht, als wäre eine Steinlawine über ihn hinweggefegt?

Das Auffallende an solchen Schotterund Splitablagerungen sind sparsamster Umgang mit Pflanzenmaterial und eine auffallend hohe Gestaltungsarmut. Gartenkulturverarmung habe ich im Internet gelesen. Dieses Wort gefällt mir sehr.

Verirrt sich dennoch ein pflanzliches Wesen in diese Einöde, dann sind es meist blütenlose, immergrüne Bonsaikoniferen, beinahe so fantasielos wie ihr Untergrund. Die Einsamkeit dieser Pflanzen ist beinahe spürbar.

Treppe eingefasst von grauen Steinen ohne Pflanzen
Lebe- und trostlos

Moderne Geröllhalde

Was ist denn nun aber die Idee, die Absicht, die hinter solchen Gärten steht? Modern und pflegeleicht soll er sein, der Garten des 21. Jahrhunderts. Doch mit der Pflegeleichtigkeit der Geröllhalde dürft e es so seine Tücken haben. Denn im Laufe der Jahre wird sich unweigerlich zwischen den Steinen Pflanzenmaterial ansammeln, das zu Humus wird und somit neuen Nährboden für Samen bildet, die durch die Luft fliegen. Und dies, obwohl unter der Zentimeter dicken Steinschicht – der wertvolle Humus wurde selbstverständlich abgetragen und abgeführt – ein Vlies liegt, das den Unterboden abdichtet. Auch wenn im Herbst die rund 90 Dezibel lauten Laubbläser dafür sorgen, dass sich auch ja kein Blatt zwischen die Steine verirrt, bleibt dennoch stets pflanzliches Material hängen. Und so wächst irgendwann ein kleines Pflänzchen in dieser trostlosen Umgebung, ein Lichtblick sozusagen, den es aber sofort zu entsorgen gilt, schliesslich ist es ja gerade die Monotonie, auf die es bei einem solchen Garten ankommt. Wenn sich die wilden Pflänzchen dann vermehren, wird aus dem pflegeleichten Steinhaufen schnell einmal das mühsame Unterfangen, zwischen all dem Schottermaterial die Pflanzen auszureissen.

Steingarten mit verschieden Farbigen Steinen und Formen
Gestaltungsarme "Grünfläche"

Und dann wäre da noch die Absicht, modern zu sein. Modern ist gleichbedeutend mit zeitgemäss, progressiv, fortschrittlich, aussergewöhnlich, modegerecht. Doch wie lässt sich ein solcher Mangel an Individualität als aussergewöhnlich, also über das Gewöhnliche hinausgehend, erklären? Zeit gemäss mag ja stimmen, doch macht es mich nachdenklich, wenn ich sehe, dass offenbar kein Bedürfnis besteht, etwas Eigenes, etwas Kreatives, Mich-einzigartig-Machendes zu entwerfen. Wie eine Herde Schafe rennen alle diesem Trend hinterher. Und wenn Sie jetzt das Wort modern anders betonen, nämlich auf dem «o», modern, dann sind Sie bei faulen, schimmeln und sich zersetzen. Ich hoffe sehr, dass der Schottergarten-Trend in diese Richtung geht.

Grün versus Grau

Denn Grünflächen, das ist doch das, was man unter einem Garten versteht, sollen nicht nur für die Optik herhalten, sie sollen auch einen Lebensraum für Kleintiere anbieten. Wo keine blühenden Pflanzen wachsen, haben Bienen und Schmetterlinge nichts zu lachen. Veressen wir nicht, dass 40 Prozent unserer Nahrungsmittel durch Bestäubung entstehen. Wo keine Pflanzen wachsen, wird kein CO2 gebunden. Im Sommer ist es unter einem schattenspendenden Baum rund 3 Grad kühler als unter dem Sonnenschirm. In der Nähe dieser Steinflächen aber ist aufgrund der Wärmespeicherung der Steine die Umgebungstemperatur höher. Und was die Optik anbelangt, wirkt sich die Farbe Grün positiv auf unser Wohlbefinden aus und schenken Blumen mit ihren Düften, Farben und Formen uns die unterschiedlichsten Sinneseindrücke. Steine hingegen werden, wenn sie dominieren, als karg, trostlos und lebensfeindlich wahrgenommen. Steine sind oft Sinnbild für Last und Mühe. Ist es das, was der Garten diesen Leuten bedeutet? Und zum Schluss erlaube ich mir die Bemerkung, dass Sie genau auf die Herkunft dieser Schottersteine achten sollten. In vielen Fällen handelt es sich nämlich nicht um eine lokale Gesteinsart, sondern um Billigstein, abgebaut in Indien oder China.

Steingarten mit vielen Pflanzen und Blumen
Ein echter Steingarten eine wahre Freude für Tier und Mensch.

Meiner Meinung nach hat jede Person, die einen Garten besitzt, eine Verantwortung. In Deutschland beispielsweise ist die Fläche aller Gärten so gross wie die Fläche der Naturschutzgebiete. Nicht nur anderen Mitmenschen gegenüber, für die solch verunstaltete und trostlose Gärten eine Beleidigung der Sinne sind, sondern auch für unsere tierischen Mitlebewesen, die ebenso Anrecht auf eine lebenswerte Umgebung haben wie wir auch. Und Gärten könnten ökologische Trittsteine sein, die sich miteinander vernetzen und es den Tieren erlauben, sich von Trittstein zu Trittstein zu bewegen auf der Suche nach Nahrung und Unterschlupf. Es gibt zahlreiche Alternativen zu diesen Steinöden, Steinwüsten, Schottergärten und wie sie alle heissen, wobei doch alle gleich aussehen. Eine Variante wäre ein echter Steingarten, einer, der mit einheimischem Kies, Stein und Sand angelegt wird, um Pflanzen aus Extremstandorten wie Gebirge, Magerwiesen oder Trockenböden gedeihen zu lassen. Oder eine standortgerechte Bepflanzung mit möglichst einheimischen Stauden, Farnen und Bodendeckern, die wenig Arbeit machen. Dazu braucht es Fachwissen und Freude an der Natur und am Zusammenspiel der Arten, die man bei ausgebildeten Naturgartenfachkräften findet. Schotter in einem Garten auszuleeren, braucht weder Fachwissen noch eine Ausbildung, das kann jeder.

Herzlich
Claudia Ebling
www.natur-im-garten.ch

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Die Knoblauchsrauke kommt - und mit ihr der Aurorafalter


NATURZYT Ausgabe März 2017, Text/Fotos Claudia Ebling

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