Forschung spielt im Naturschutz eine grosse Rolle. Die Beringung und Besenderung von Vögeln nimmt im Vogelschutz und in der Vogelforschung eine bedeutende Stellung ein. Die Greifvogelstation Berg am Irchel teilt ihre Erfahrungen.
Schon früh fiel den Menschen auf, dass einige Vogelarten im Herbst verschwinden und im Frühjahr wieder auftauchen. Von Schwalben wurde beispielsweise angenommen, dass sie sich in dieser Zeit im Schlamm eingraben, aber erst seit ein Weissstorch mit einem afrikanischen Pfeil im Hals entdeckt wurde, setzte sich die Erkenntnis durch, dass diese Vögel nach Süden ziehen. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte ein dänischer Vogelkundler und Lehrer die ersten Ringe zur individuellen Markierung von Vögeln. Seither wurden in Europa über 135 Mio. Vögel markiert, allein in der Schweiz sind es rund 90 000 Individuen jährlich. Neben den Aluminiumringen mit individuellen Nummern werden seit einigen Jahrzehnten auch zunehmend Farbringe verwendet. Diese werden in der Regel am Fuss angebracht, aber auch Halsringe und Flügelmarken werden eingesetzt.
Die Beringung erfolgt vielfach bei Jungvögeln im Nest, aber auch Altvögel werden mit Netzen, Fallen oder Reusen gefangen. Dies ist ein minimal invasiver Eingriff und der Ring stellt keine Beeinträchtigung des Vogels dar.
Mit der Vogelberingung werden Zugrouten der Vögel etlicher Arten erforscht
Mithilfe der Vogelberingung wurden Zugrouten und Wintergebiete etlicher Arten erforscht. Dabei stellen Wiederfänge, Ablesungen in der Natur und Totfunde die Basis für die Daten dar. Neben der Erforschung des Vogelzuges werden dank der Beringung auch wichtige Erkenntnisse zum Höchstalter, zur Ansiedlung von Jungvögeln, über Zu- und Abwanderung sowie Bruterfolg und Sterblichkeit gewonnen. Mit sinkenden Beständen vieler Vogelarten innerhalb der letzten Jahre und Jahrzehnte liefert die Vogelberingung aber auch wichtige Erkenntnisse zu Lebensraumqualität, Verlust des Lebensraums oder Gefahren, denen die Vögel in unserer Landschaft ausgesetzt sind.
Jeder Ring ist mit einer individuellen Nummer und dem Code der nationalen Beringungszentrale versehen. In der Schweiz ist dies die Vogelwarte Sempach, dementsprechend sind die Ringe mit Sempach Helvetia gekennzeichnet. Bei der Beringung eines Vogels nimmt der/die Beringer/in alle wichtigen Daten, wie Datum, Art, Geschlecht, Alter und Körpermasse des Vogels auf. Diese werden dann, zusammen mit dem Ringcode, in die Datenbank der schweizerischen Beringungszentrale gespiesen.
Auch die Greifvogelstation Berg am Irchel nutzt die Ringe der Vogelwarte Sempach. Spätere Sichtungen von ehemaligen Patienten sind besonders spannend. So zum Beispiel im Jahr 2018, als ein von der Station freigelassener Turmfalke eine Distanz von rund 602 Kilometern bis nach Frankreich zurück gelegt hatte. Bei einem Mäusebussard, der 2017 mit einem verletzten Auge und Altersschwäche in die Greifvogelstation kam, konnte dank dessen Fussring das Alter bestimmt werden. Der Bussard hatte für seine Art ein erstaunlich hohes Alter: Er war mindestens 26 Jahre alt, denn er wurde im Jahr 1989 in Frauenfeld beringt.
Die Beringung ist die Standartmethode für die Forschung
Nach wie vor ist die Vogelberingung die Standardmethode für die Forschung. Daneben werden aber auch neue Methoden wie die Besenderung von Vögeln entwickelt. Hierbei werden vor allem sogenannte Satellitensender oder Geolokatoren verwendet, die am Fuss des Vogels oder auf dem Rücken montiert werden. Ein herkömmlicher GPS-Sender ist meistens 16–80 Gramm schwer und wird mithilfe von hautfreundlichen Teflon-Bändern wie ein Rucksack am Vogel befestigt. Diese Bänder können zum Teil aus einem sich auflösenden Material bestehen, so dass der Sender nach einer gewissen Zeit vom Vogel abfällt und geortet werden kann. Genau wie herkömmliche GPS-Geräte zeichnen sie über Satelliten die Koordinaten der Vögel regelmässig auf und liefern damit Erkenntnisse über die genauen Zugrouten oder Nahrungshabitate. Strom beziehen die Sender von einer Batterie, welche im Idealfall von einem Solarmodul geladen werden und damit ein ganzes Vogelleben aktiv bleiben kann. Die modernsten Sender können neben der Position des Vogels auch Daten zu Beschleunigung, Höhe, Flügelschlagfrequenz und Temperatur liefern. Damit kann ermittelt werden, ob der Vogel aktiv ist, läuft oder fliegt bzw. gleitet oder mit den Flügeln schlägt. Die Ermittlung der Position der Vögel erfolgt in der Regel bis auf wenige Meter genau. Mithilfe verschiedener Sender können essenzielle Lebensraumstrukturen innerhalb der Habitate der Vögel ermittelt werden sowie konkrete Gefährdungen oder Ursachen für Populationsrückgänge analysiert werden.
Die Greifvogelstation Berg am Irchel hat auch Erfahrung in der GPS-Besenderung
Die Greifvogelstation Berg am Irchel konnte bereits erste Erfahrungen mit der Besenderung eines ihrer Patienten sammeln: Im September 2020 konnte das Team mit der Unterstützung von Dr. K. Safi , einem Verhaltensbiologen am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Radolfzell, einen weiblichen Uhu mit einem GPS-Sender ausrüsten. Den Uhu, der von seinem Paten «Paula» getauft wurde, fand man als Jungvogel flugunfähig am Boden in Schaffhausen und brachte ihn in die Station. Das Team der Greifvogelstation hat sich vorwiegend dafür interessiert, in welche Richtung «Paula» nach ihrer Freilassung abwandert und ob sie gut in Freiheit zurechtkommt, obwohl sie vom Menschen aufgezogen wurde. Aus diesem Grund wählte das Team eine Befestigung des Senders am Vogel aus, die wieder abfällt. Der Sender löste sich schlussendlich nach drei Wochen von «Paula» und konnte durch das integrierte GPS geortet werden. Die Auswertung der Daten ergab, dass es «Paula» während den drei Wochen gut erging. Sie hatte zuerst ein paar Tage am Ort der Freilassung, im Gebiet Irchel, verbracht, bevor sie nach Bülach weitergezogen war.
Das Team der Greifvogelstation Berg am Irchel kann durch die Besenderung in Erfahrung bringen, wie es den frei gelassenen Patienten nach ihrer Freilassung ergangen ist, und kann den Erfolg seiner Arbeit besser einschätzen. In der Zukunft plant die Station, mit der Hilfe von erfahrenen Wissenschaft lern weitere Greifvögel und Eulen mit GPS-Sendern auszustatten. Vor allem ist die Nachverfolgung von Patienten, welche mit neuen Methoden behandelt wurden, interessant.
Greifvogelstation Berg am Irchel – eine wichtige Institution im Artenschutz
Veronika von Stockar gründete 1956 in ihrem eigenen Garten die Station. So begann eine 52 Jahre lange Tätigkeit, während der über 3000 Tiere gepflegt wurden. Im Laufe der Jahre gewann die Station schweizweit an Aufmerksamkeit. Die präzise Buchführung über die gefiederten Patienten liefert wertvolle Daten über einheimische Greife. Für ihre ausser gewöhnliche Leistung wurde Veronika von Stockar 2007 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Zürich ausgezeichnet. 2008 übergab sie dann die Leitung der Stiftung PanEco, welche 1996 von Regina Frey, Veronika von Stockars Tochter, gegründet wurde. PanEco ist eine gemeinnützige und spendenfinanzierte Stiftung, die sich für Natur- und Artenschutz sowie Umweltbildung in der Schweiz und in Indonesien engagiert. Heute leitet der Biologe und Ornithologe Andi Lischke die Station. Tatkräftig unterstützt wird er von einem stellvertretenden Leiter, einer Mitarbeiterin für Umweltbildung, einem Zivildienstleistenden undeinem kleinen Team von Freiwilligen.
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Greifvogelstation Berg am Irchel
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Chileweg 5
8415 Berg am Irchel
T 052 318 14 27
info@greifvogel station.ch
www.greifvogelstation.ch
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NATURZYT Ausgabe Dezember 2021, Text Katharina Haferkorn, Nicole Bosshard Fotos PanEco, Adobe Stock