Akkzessionsnummer 45 398 ist auf der Samentüte der Genbank zu lesen. Sind die von schwieligen Bauernhänden entwickelten Sorten zu einer Nummer degradiert worden? Nicht überall! Die Erhaltung bei ProSpecieRara unterscheidet sich wesentlich von einer Genbank.
Die Anzahl der Genbanken entspricht wohl in etwa der Anzahl Staaten auf unserem Planeten. Weltweit sind tausende, wenn nicht sogar Millionen verschiedenster Nutzpflanzensorten, so genannte Akkzessionen, in Genbanken eingelagert. Diese sich über Saatgut vermehrenden Gemüse- und Getreidesorten werden nur alle paar Jahre angebaut, um wieder über frisches keimfähiges Material für die weitere Aufbewahrung zu verfügen.
Alte Nutzpflanzen für die Zukunft fit halten
In der Kälte verlangsamen sich die Abbauprozesse im Samenkorn und es bleibt länger keimfähig. Aus diesen Gründen entstand 2008 eine Genbank im hohen Norden auf Spitzbergen. Dort schicken alle Länder Saatgut ihrer so genannten pfanzengenetischen Ressourcen hin, damit es dort eingefroren und aufbewahrt wird. Auch die Schweiz hat Saatgut dort gelagert. Ob dieses Saatgut je wieder angebaut wird, bleibt offen.
Mit dem Klimawandel mithalten
Während das Samenkorn in der polaren Kälte ruht, verändert sich unser Klima. Die alten Sorten müssen sich an Trockenperioden, heisse Temperaturen und dann wieder an nasse Füsse mit Staunässe gewöhnen können. Deshalb setzt ProSpecieRara auf die Erhaltung draussen – in den Gärten von heute und morgen. Je öfter eine Sorte vermehrt wird, desto besser kann sie sich an Veränderungen anpassen. Denn bei jeder Samenernte werden die Samen der in diesem Sommer am besten gewachsenen Pflanzenindividuen ausgelesen. Samen von Kümmerlingen, die nicht mit dem herrschenden Wetter zurechtkamen, werden nicht berücksichtigt. Auf diese Weise entwickeln sich auch die traditionellen ProSpecieRara-Sorten weiter und passen sich an die Umweltbedingungen an. Sie bleiben robust und ertragreich – trotz Klimawandel.
Lebendige Erhaltung zum Beispiel in Wildegg
Mit dem Schloss Wildegg kann ProSpecieRara schon seit vielen Jahren auf einen attraktiven Partner in der Erhaltung der alten Sorten setzen. Dort im „Nutz- und Lustgarten“, wo einst die Effinger lustwandelten, gedeihen heute einige hundert verschiedene Nutzpflanzensorten – und sie werden dort auch vermehrt. So sehen dort die Besucherinnen und Besucher schon mal Salate oder Karotten in voller Blüte. Der Gärtner vor Ort und Zivildienstler von ProSpecieRara sorgen für die professionelle Pflege der wertvollen Pflanzen. Im Herbst wird das geerntete Saatgut jeweils gemeinsam mit engagierten Helfern gedrescht und anschliessend in der Samenbibliohtek am ProSpecieRara-Hauptsitz in Basel eingelagert. Von dort aus gelangt es in weitere (Privat-)Gärten, so dass die einzelnen Sorten in möglichst vielen verschiedenen Gärten lebendig abgesichert werden.
Eine lebendige Erhaltung geschieht in den Gärten und auf dem Feld, in der gewohnten natürlichen Umgebung unserer Kulturpflanzen. Nur so ist gewährleistet, dass das Kulturerbe zukünftigen Generationen zur Verfügung steht und auch das Wissen um die Nutzung noch vorhanden ist. Denn was nützt unseren Grosskindern ein 100-jähriges Getreidekorn, das, weil tiefgekühlt aufbewahrt, zwar noch keimt, aber während des Wachstums den veränderten Klimabedingungen erliegt?
Der Schaugarten Wildegg
Der Schaugarten in Wildegg ist eines von über 60 Schauobjekten in der ganzen Schweiz. Auf Arche-Höfen, in Obst-, Zierpflanzen- und Gemüsegärten und in Restaurants kann die Vielfalt der Schweizer Nutztierrassen und Kulturpflanzensorten erlebt werden.
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NATURZYT Ausgabe April 2013, Text/Fotos Marianna Serena, Bereichsleiterin Garten-, Acker- und Zierpflanzen bei ProSpecieRara