Naturnahe Gärten sind eine Bereicherung für Menschen, Tiere und Pflanzen. Gerade im urbanen Umfeld sind sie wichtige Orte für mehr Lebensqualität. Mit passenden Massnahmen können auch sterile Gärten in blühende und vor Leben brummende Standorte verwandelt werden.
Vielleicht haben Sie kürzlich einen sterilen Garten übernommen und möchten die ökologische Wüste gerne aufwerten. Oder Sie haben schon einen Garten und wollen diesen nach und nach ökologischer gestalten. Sie wissen aber nicht, wo Sie ansetzen sollen. Mit ein wenig Planung und einfachen Massnahmen können Sie gezielt mehr Natur in den Garten bringen und Ihre Umgebung lebendiger machen.
Mit der Wahl der richtigen Produkte viel für Naturschutz und Artenvielfalt tun
Die Umgestaltung zu einem naturnahen Garten fängt bereits im Baumarkt oder Gartencenter an. Mit entsprechenden Produkten kann man schon viel für den Umwelt- und Naturschutz und die Artenvielfalt tun.
Wenn immer möglich, sollte man Saatgut und Pflanzen aus biologischer Zucht sowie samenfeste Sorten kaufen. So bringt man einerseits keine giftigen Chemikalien in den Garten, die Tiere, Pflanzen und die Gesundheit schädigen können. Andererseits sind die Pflanzengesünder, robuster und von grösserer genetischer Vielfalt. Bioterra, die führende Organisation für den Bio- und Naturgartenin der Schweiz, bietet auf ihrer Internetseite eine Übersicht über Biogärtnereien in ihrer Nähe an (siehewww.bioterra.ch unter Gartenprofis).
Wenn Erde oder andere Substrate benötigt werden, darauf achten, keine Torfprodukte zu kaufen (auf Inhaltsangaben achten). Der Torfabbau zerstört den Lebensraum seltener und vom Aussterben bedrohter Tiere und Pflanzen, die im Moor vorkommen. Gleichzeitig wird mit jedem kaputten Moor der Kohlenstoff - und Wasserkreislauf gestört. Eine Renaturierung von abgetorften Mooren ist zudem mit grossem Aufwand verbunden und nicht immer möglich.
Sand, Kies, Kompost und Baumaterialien von lokalen oder regionalen Anbietern beziehen. Beim Kauf auf Qualität achten. Es gibt verschiedene Label, die ökologische Produkte auszeichnen (eine Übersicht findet man unter www.labelinfo.ch unter den entsprechenden Produktgruppen).
Pflanzenextrakte zur Abwehr von Schädlingen als Pflanzenschutzmittel verwenden
Wenn Blattläuse oder Mehltau im Garten überhand nehmen, sollte man auf keinen Fall zu «Pflanzenschutzmitteln» wie beispielsweise Glyphosat greifen. Diese Stoffe sind nichts anderes als Gift , welches einen selbst und seine Umgebung gefährdet, die natürliche Nahrungskette belastet, Bodenorganismen schädigt und Tiere und Pflanzen vernichtet.
Bei einem akuten Befall kann man Pflanzenextrakte wie Pflanzenjauchen, -tees und -brühen (z.B. aus Brennnesseln, Rainfarn, Ackerschachtelhalm, Wurmfarn, Birke, Holunder) nutzen. Sie enthalten Abwehrstoffe wie beispielsweise Bitterstoffe, Gerbsäuren und stark riechende ätherische Öle, die vielen «Pflanzenfressern» und Pilzen den Appetit verderben. Diese Pflanzenextrakte sind schnell wirksam, ungiftig und stärken zudem die behandelten Pflanzen.
In einem naturnahen Garten stellt sich mit der Zeit ein natürliches Gleichgewicht ein, weshalb giftige Chemikalien aller Art unnötig sind. Auch die richtige Sortenwahl, passende Saat- und Pflanztermine, Umweltgestaltung, Bodenpflege, Mischkulturen und Sauberkeit beim Gehölzschnitt tragen wesentlich zu diesem Gleichgewicht sowie widerstandsfähigen Pflanzen bei.
Regenwasser in Tonnen sammeln und weniger Lichtverschmutzung im eigenen Garten
Wenn immer möglich sollte Wasser in Regentonnen gesammelt werden. Dazu einfach eine oder zwei Regentonnen kaufen und unter die Regenrinne mit Abzug stellen. Wenn man Regenwasser zum Giessen verwendet, werden Wasserhaushalt und Portemonnaie entlastet. Unnötige Lichtverschmutzung sollte man unbedingt verringern. Die grassierende Lichtverschmutzung stört das Gleichgewicht der nächtlichen Ökosysteme, beeinträchtigt das Verhalten von Tieren und Pflanzen (und auch uns Menschen) und verändert die Nahrungsketten. Einfach Lampen mit präziser Lichtlenkung oder Abschirmungen installieren; die beleuchten nur das, was beleuchtet werden soll. Die Beleuchtungsstärke anpassen, so werden überdimensionierte Leuchtstärken vermieden. Am besten installiert man Zeitschaltuhren, um die Beleuchtung zwischen 22 Uhr und 6 Uhr abzuschalten. Bewegungsmelder zurückhaltend einsetzen und auf eine richtige Einstellung achten, damit nicht beim kleinsten Lufthauch die Lampe angeht. Auf Aussenleuchten, die keinem «Sicherheitszweck» dienen, verzichten – vor allem im Garten.
Unkraut gibt es nicht, in der Natur hat jede Pflanze seinen nutzen
Unkraut ist ein Unwort. Denn in der Natur hat jede Pflanze ihren Platz, Zweck und ihre Daseinsberechtigung. Dies wird auch im naturnahen Garten berücksichtigt. Denn eine Vielfalt von Pflanzen bringt eine Vielfalt von Tieren mit sich. Beide sind aufeinander angewiesen. Und die sogenannten «Unkräuter» sind oftmals sehr potente Heilpflanzen.
Wenn doch einmal Pflanzen im Weg sind, kann man diese entweder jäten oder ihnen einfach nur die Blütenköpfe abzupfen, damit sie sich nicht durch Samen verbreiten können. In gewissen Fällen ist es evtl. angebracht, «unerwünschte» Pflanzen, welche sich spontan angesiedelt haben, zu verpflanzen.
Gartenteich als Lebensraum für Vögel, Frösche und andere Tiere aufwerten
Falls bereits ein noch eintöniger Gartenteich vorhanden ist, kann dieser mit einfachen Mitteln schnell aufgewertet werden. Passende Pflanzen und Kleinstrukturen erfreuen die Sinne und schaffen Lebensraum für Vögel, Frösche, Molche, Wasserkäfer, Libellen, Wasserschnecken und andere Tiere.
Für die Bepflanzung des Randes eignen sich beispielsweise Blutweiderich (Lythrum salicaria), Sumpfschafgarbe (Achillea ptarmica), Sumpf-Baldrian (Valeriana dioica), Zwerg-Rohrkolben (Typha minima), Sumpf-Ziest (Stachys palustris), Blutauge (Potentilla palustris), Sumpf-Kratzdistel (Cirsium palustre), Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris), Gemeiner Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) und Sumpf-Storchschnabel (Geranium palustre).
In der Sumpf- und Flachwasserzone (0–40 cm) wachsen unter anderem Gemeiner Froschlöffel (Alisma plantagoaquatica), Schwanenblume (Butomus umbellatus), Steife Segge (Carex elata), Echtes Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia), Bachbungen-Ehrenpreis (Veronica beccabunga) und Gelbe oder Wasser-Schwertlilie (Iris pseudacorus). Für das Tiefwasser eignen sich Seerosen oder Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae) am besten.
Der Teichrand und die unmittelbare Umgebung können durch schöne Baumwurzeln, Steinhaufen und andere Kleinstrukturen aufgewertet werden. Diese dienen Tieren und Pflanzen als Lebensraum und fördern somit wiederum die Vielfalt im Garten.
Ein Schottergarten durch eine schöne Wildblumenwiese ersetzten
In einem Schottergarten muss zuerst die allfällige Abtrennung (Vlies, Folie) entfernt werden. Denn sie verhindert, dass Wasser versickern kann, Sauerstoff in den Boden gelangt sowie Bodenorganismen an die Bodenoberfläche wandern und das anfallende Laub verwerten und zu Humus aufbauen können. Folie und Vlies bestehen zudem in der Regel aus Kunststoff, der mit der Zeit in immer kleinere Kunststoffpartikel, also Mikroplastik, zerfällt. Das schädigt wiederum Mikroorganismen und das Boden leben im Allgemeinen. Und Mikroplastik kann momentan nicht aus dem Boden entfernt werden. Folie und Vlies müssen also ausgebaut und am besten fachgerecht entsorgt werden (in der Entsorgungsstelle nachfragen).
Danach sollte man den fehlenden Feinkornanteil mit Sand erhöhen. Dazu schüttet man ca. fünf Zentimeter Sand über die Schotterfläche. Darauf kommen wiederum ebenfalls ca. fünf Zentimeter Kompost. Das Substrat wird nun mit einem passenden Gerät tief bearbeitet, so dass sich Grobschotter, Sand und Kompost vermischen. Falls nach der Bearbeitung kein Kompost mehr sichtbar sein sollte, je nach Bepflanzung noch einmal nachschütten (z.B. für Wildgehölze und Wildrosen).
Sind die ersten zehn Zentimeter gut durchmischt, wird die Fläche fein krümelig und möglichst gleichmässig geharkt. Danach kann eine blütenreiche magere Wildblumenmischung eingesät oder können Wildstauden und Wildsträucher gepflanzt werden, die sich für Trockenstandorte eignen. Eine Handvoll Kompost unter den Topfballen erleichtert das Einwurzeln. Eine schöne Baumwurzel, Sitzsteine aus Naturstein oder Vogel- und Insektennisthilfen sorgen zusätzlich optisch für Struktur und Lebensräume im Beet. Geeignete Kleingehölze sind beispielsweise Färberginster (Genista tinctoria), Felsenbirne (Amelanchier ovalis), Gewöhnliche Berberitze (Berberis vulgaris) und Blaue Kronwicke (Coronilla valentina subsp. glauca). Auch Wildrosen wie Essigrose (Rosa gallica), Weinrose (Rosa rubiginosa), Kriechrose (Rosa arvensis) und Bibernellrose (Rosa pimpinellifolia) kommen mit trockenen Verhältnissen zurecht. Passende Wildstauden sind unter anderem Aufrechter Ziest (Stachys recta), Futter-Esparsette (Onobrychis viciifolia), Dornige Hauhechel (Ononis spinosa), Edel-Gamander (Teucrium chamaedrys), Berg-Aster (Aster amellus) und Blutroter Storchschnabel (Geranium sanguineum), Echtes Labkraut (Galium verum), Gemeine Ochsenzunge (Anchusa o¬ ci nalis), Sand-Th ymian ( ymus serpyllum), Färberkamille (Anthemis tinctoria) und Blauer Lein (Linum perenne).
Die Fläche sollte während der ersten drei Monate zweimal in der Woche gegossen werden, danach sind die Pflanzen gut eingewurzelt und brauchen nur noch bei extremer Dürre zusätzlich Wasser. Aus einem leblosen Schotterbeet lässt sich so ein Trockenstandort herstellen, wie er etwa natürlicherweise auf Magerwiesen, Schutt- oder Felsflächen vorkommt. Der Aufwand lohnt sich, denn eine solche Fläche bietet Insekten und anderen Tieren Nahrung und Lebensraum. Zudem braucht sie wenig Pflege.
Aus Fugen und Rillen geeignete Pflanzen wachsen lassen
Eine sehr einfache Möglichkeit, Bereiche wie Garagenauffahrten, Vorplätze oder Plattenwege ökologisch aufzuwerten, ist, Fugen und Rillen mit geeigneten Wildpflanzen zu bestücken. Geeignete Exemplare sind beispielsweise Sedum-Arten aus der Familie der Dickblattgewächse (Crassulaceae) wie Weisse Fetthenne (Sedum album), Felsen-Fetthenne (Sedum rupestre), Milder Mauerpfeffer (Sedum sexangulare) und Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre). In Randbereichen können Hängepolster-Glockenblume (Campanula poscharskyana), Niederliegender Ehrenpreis (Veronica prostrata) und für schattigere Lagen Kriechender Günsel(Ajuga reptans) eingesetzt werden. Vor allem bei grösseren Flächen ist eine Bepflanzung durch Bodendecker sowohl zielführend als auch optisch sehr ansprechend. Robuste Pflanzen wie die genannten Fetthennen können zudem Wildpflanzen, die in einer Zwischenraumbefüllung aus Kies oder Sand relativ bald Einzug halten, in Schach halten.
Eintönige grüne Rasenflächen zum blühen bringen
Um eine artenarme Rasenfläche, die mit Löwenzahn, Hahnenfuss, Kriechendem Fingerkraut, Spitz-Wegerich und hauptsächlich Gräsern bestückt ist, aufzuwerten, bedarf es gezielter Eingriffe. Ist der Standort eher sonnig und tendenziell trocken, können sogenannte Initialinseln geschaffen werden.
Man schafft ovale Pflanzflächen, indem man die Grasnarbe abträgt, passende Wildstauden pflanzt und zusätzlich einsät. Diese Inseln sollten, wie der Name schon sagt, initialisierend auf die gesamte Fläche wirken. Das bedeutet, dass von den geschaffenen Pflanzflächen die Arten in den gesamten Rasen wandern und somit die Artenvielfalt fördern. Geeignete Arten für einen solchen Start wären Wiesen- Flockenblume (Centaurea jacea), Hornklee (Lotus corniculatus), Gewöhnlicher Dost (Origanum vulgare), Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis) und Wilde Möhre (Daucus carota). Auf dem schattigen und eher feuchten Krautrasen sollte man das Mähen reduzieren und sich an Kriechendem Günsel (Ajuga reptans), Gundermann (Glechoma hederacea), Kleiner Braunelle (Prunella vulgaris), Gänseblümchen (Bellis perennis), Pfennigkraut (Lysimachia nummularia) und diversen Ehrenpreis-Arten (Veronica) erfreuen.
Sterile Hecken mit ökologisch wertvolleren Wildgehölze ersetzten
Wenn man nicht die Möglichkeit hat, Lorbeer-Kirsche, Lebensbaum und Photinie, welche aufgrund ihrer ein - seitigen Verwendung in Kritik geraten sind, durch ökologisch wertvollere Wildgehölze zu ersetzen, dann gilt es, den Bereich am Grund mit krautigen Pflanzen aufzuwerten. Hierzu eignen sich für den sonnigen und trockenen Standort Salbei-Gamander (Teucrium scorodonia), Acker-Glockenblume (Campanula rapunculoides), BlutroterStorchschnabel (Geranium sanguineum) und z.B. Hirschheil (Seseli libanotis). Am tendenziell schattigen und frischfeuchten Gehölzrand kommen Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium), Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa), Klebriger Salbei (Salvia glutinosa) und Wald-Ziest (Stachys sylvatica) zum Einsatz. An einem solchen Standort ist es empfehlenswert, mit Totholz Kleinstlebensräume zu schaffen. Am trockenen Gehölzrand können Steinhaufen platziert werden.
Mit all den genannten einfachen Massnahmen kann man den Garten aufwerten, ohne gleich Tausende von Franken für eine komplette Umgestaltung ausgeben zu müssen. Die Eingriffe kann man ohne grossen Aufwand selber umsetzen. Und man tut sich und der Natur einen grossen Gefallen damit.
Weitere naturnahe Gartenthemen die Sie interessieren könnten:
Schmückende Samenstände im winterlichen Garten
Können Pflanzen fühlen? Wie Pflanzen die Welt wahrnehmen
Auch Insekten halten Winterschlaf
NATURZYT Ausgabe Dezember 2021, Text Isabelle Blum, Sebastian Wagener