Ob «Dänkeli», «Pensée» oder «Stiefmüeterli» – die Rede ist immer von der Viola wittrockiana, dem Garten-Stiefmütterchen, das es heute in unzähligen Farben, Formen und Grössen zu kaufen gibt.
Bis in die 1990er-Jahre gehörten die Roggli-Stiefmütterchen mit ihren heimatverbundenen Namen wie «Blüemlisalp» oder «Eiger» zu den begehrtesten Sorten. Im Frühling 2010 musste Rudolf Roggli, der die Firma Rudolf Roggli AG in dritter Generation leitet, die Saatgutvermehrung und -zucht aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben! Das betrifft auch die beiden Roggli-Kohlrabi-Sorten «Lanro» und «Blaro».
ProSpecieRara: Weshalb rentiert sich die Stiefmütterchenzucht nicht mehr?
Rudolf Roggli: Die Nachfrage nach alten Sorten ist in den letzten Jahren extrem eingebrochen. Früher haben die Gärtnereien ihre eigenen Setzlinge angezogen, und vor allem war das Bewusstsein für spezielle Sorten sowohl beim Gärtner als auch beim Konsumenten ausgeprägt. Heute wird nur noch nach Farbe gekauft. Zudem werden Stiefmütterchen heute im Frühling gekauft; früher setzte man sie im Herbst, damit sie dann im Frühling blühen. Die heutigen F1-Hybriden, Sorten also, die schneller und einheitlicher wachsen, die aber nicht mit herkömmlichen Methoden vermehrt und gezüchtet werden können, erfüllen die modernen Ansprüche. Aber den Züchtungsaufwand können sich nur noch Grossfirmen leisten.
Wie zeigt sich dieser Niedergang?
In den 1960er- und 1970er-Jahren verkauften wir rund 350 kg Stiefmütterchen-Saatgut pro Jahr, was für 140 Millionen Pflanzen reichte. Wir mussten in der Folge die Produktion sogar nach Griechenland ausweiten, weil wir mit der Schweizer Produktion die Nachfrage nicht decken konnten. 2010 verkauften wir noch ca. 4 kg. Dieser Rückgang kam sehr schnell – 2006 hatten wir noch rund 20 kg verkauft. Zur Glanzzeit war das Geschäft auch wirtschaftlich interessant, seit einigen Jahren verdienen wir unser Geld aber fast ausschliesslich mit der Setzlingsanzucht für Gärtnereien – zur Hauptsache aus eingekauftem Saatgut.
Wie geht es weiter mit den Roggli-Sorten?
Die Gartenbauschule Hünibach und ProSpecieRara haben sich zum Glück der Roggli-Stiefmütterchen angenommen. Ich unterstütze die beiden Institutionen gerne mit Rat und Tat, möchte mich dann aber auch mal zurückziehen können. Das «Problem» bei den Stiefmütterchen ist, dass sie nicht so einfach selber vermehrt werden können. Die Sorten verkreuzen leicht mit anderen und «verwässern» so. Deshalb muss man als Züchter am Ball bleiben und immer wieder ganz gezielt Auslese betreiben. Jede einzelne Farbe muss räumlich getrennt produziert werden, damit keine falschen Farbkreuzungen entstehen. Deshalb bin ich froh, dass ProSpecieRara mit der Gartenbauschule eine Partnerin gefunden hat, die wirtschaftlich nicht von den Stiefmütterchen abhängig ist, die aber dank dieser Arbeit auch ihren Schülern einen spannenden Einblick in die Pflanzenzucht geben kann.
Und die Kohlrabi?
Auch diesen Betriebszweig haben wir aufgegeben, da die Nachfrage zu gering ist. Zwar wären unsere beiden Sorten für den Hausgarten perfekt – sie sind, auch wenn sie grösser geerntet werden, sehr zart, tolerant gegenüber Spätfrösten, und sie reifen nicht alle auf einmal. Dieser letzte Punkt ist sicher einer, der gegen die industrielle Vermarktung spricht, denn dort soll alles miteinander geerntet werden können. Da die Hobby-Gärtner beim Gemüse nur einen kleinen Marktanteil haben, lohnt es sich nicht, extra für sie zu produzieren. Die Sativa Rheinau AG kümmert sich nun zusammen mit ProSpecieRara um die Erhaltung der Kohlrabisorten. Die Viola «Elitemischung», «Alpenglühn» und «Höhenfeuer» sind bereits jetzt im Sortiment von Sativa, die anderen werden sukzessive aufgenommen. So gehen sie nicht ganz verloren und bleiben gerade auch für den Hobby-Gärtner erhalten.
Was bedeutet es für Sie, dass diese Roggli-Sorten praktisch verschwinden?
Es ist wohl der Lauf der Zeit, da kann man nichts machen. Es geht ja nicht nur mir so, sondern auch den meisten anderen Züchtern. Heute gibt es praktisch keine privaten Züchter mehr in der Schweiz – weder bei den Zierpflanzen noch beim Gemüse. Stolz bin ich darauf, dass sich die Hauptsorten «Eiger», «Thunersee» und «Elitemischung» während rund 80 Jahren erfolgreich im Markt behaupten konnten – mir sind keine anderen Stiefmütterchensorten bekannt, die so erfolgreich waren. Für viele neue Sorten haben die Züchter auf Roggli-Sorten zurückgegriffen, denn über lange Zeiten führte kein Weg an ihnen vorbei. Insofern leben sie so in neuer Form noch weiter.
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NATURZYT Ausgabe März 2014, Text Nicole Egloff, Fotos Markus Zuber, Küttigen