Das Emmental ist ein Sehnsuchtsort. Und man kennt den löchrigen Käse. Aber da gibt es noch unendlich viel mehr in dieser Gegend. Wir stellen die schönsten Naturschätze entlang der jungen Emme vor.
Eine Quelle im klassischen Sinn hat die Emme nicht – vielmehr sickert irgendwann aus sumpfigem Gebiet zwischen Hohgant und Augstmatthorn Wasser. Es lohnt sich, auf Spurensuche zu gehen und einen Versuch zu starten, dem Geheimnis der Emmequelle auf den Grund zu kommen. Ambitionierte Wanderer können sich aber auch gleich den Hohgant oder die Schrattenfluh zum Ziel setzen. Der Hohgant wird auch «Krone des Emmentals» genannt, er bildet einerseits den Abschluss des oberen Emmentals und ist zugleich Verbindung zum Berner Oberland. Die Luftlinienentfernung nach Interlaken beträgt nur zwölf Kilometer. Das Hohgantmassiv besteht aus einer sieben Kilometer langen Bergkette. Die sechs Kilometer lange Schrattenfluh wird im Süden durch das Tal der Emme, im Norden durch den Hilferenpass und im Osten durch das Tal der Waldemme begrenzt.
Die Nordwestflanke der Schrattenfluh ist steil, Felsbänder und Bergweiden wechseln sich ab. Nach Südosten fällt der Kamm relativ sanft ab. Hier befinden sich die ausgedehnten, meist vegetationslosen Karrenfelder des Schrattenkalks mit zahlreichen Höhlen. Die Schrattenfluh ist eines der grössten zusammenhängenden Karrenfelder der Schweiz. Sie weist vier markante Gipfel auf: Der augenfälligste ist der Schibengütsch (2037 m ü. M.) an der Südwestecke. Das darin verborgene Reduit aus dem Zweiten Weltkrieg ist eine Besonderheit. Der Aufstieg ab Kemmeriboden durch die Militäranlage und durch den Stollen ist nicht ausgeschildert, und der Trampelpfad wird nicht unterhalten, er ist sehr steil und sollte nur bei absoluter Trockenheit benützt werden! Wenn die Bedingungen aber passen, ist die Aussicht aus dem ehemaligen Militärbunker atemberaubend. Ein markierter Weg führt auf den Gütsch – dieser umgeht aber das Reduit.
Die Mineralquelle Kemmeriboden in Schangnau
Unten im Tal liegt, wie oben erwähnt, der Kemmeriboden, der zur Gemeinde Schangnau, die gut 36 Quadratkilometer Fläche und knapp 900 Einwohner hat, gehört. Bereits vor rund 225 Jahren wurde die Mineralquelle im Kemmeribodenbad genutzt. 1834 wurde das erste Patent zum Bewirten von Gästen erteilt. Die ganze Gebäudegruppe, samt Umgebung, steht unter Heimatschutz. Heute gehört das Kemmeribodenbad zu den meistfrequentierten, bekanntesten und besten Gastronomiebetrieben im Emmental – und dies nicht nur der Meringues wegen. Mittlerweile fast so berühmt wie die süssen Versuchungen ist der Schangnauer Büffelmozzarella: In den Achtzigerjahren importierten einige mutige Schangnauer Bauern die ersten Wasserbüffel aus Rumäninen. Das genügsame Tier mit der fetthaltigen Milch hatte es ihnen angetan. Mittlerweile trifft man auf Schangnaus Weiden öfter auf Wasserbüffelherden.
Das zauberhafte Räbloch im Emmental
Unterhalb Schangnau beginnt das imposante Räbloch, eine Schlucht zwischen Schangnau und Eggiwil, die unter Gletschereis entstand. Noch in der letzten Eiszeit war das Räbloch, im Gegensatz zum übrigen Emmental, eisbedeckt. Der Emmegletscher reichte bis zum Nordende des Siehenplateaus (Eggiwil). Während der Eiszeiten folgten Eisstrom und Wasser natürlich den tektonisch vorgegebenen Spalten und verbreiterten und vertieft en sie. Die wirklich schluchtartigen Teile des Räblochs, das heisst die tiefsten 40 bis 70 Meter, sind nach heutigen Erkenntnissen unter dem Gletschereis entstanden. Das Durchqueren der Schlucht ist gefährlich und sollte nur mit einem kundigen Führer unternommen werden. Die verheerenden Gewitter vom Sommer 2014 haben die Schlucht mit Tonnen von Material verstopft , was zusätzliche Gefahren birgt, darum ist die Schlucht zur Zeit offiziell gesperrt. Zum Trost: Schon der Einstieg ins Räbloch beim Räbeli unterhalb Schangnau ist ein kleines Abenteuer und ungefährlich. Dennoch lässt sich die Schönheit dieser Schlucht schon dort erkennen.
Ein Hochmoor, das seinesgleichen Sucht - das Steinmösli
Über das Räbloch führt zudem eine kleine Naturbrücke. Sie hat ihren Ursprung in einem seitlichen Abspalten und Abrutschen eines Nagelfluhpaketes, welches schliesslich zwischen beiden Schluchtwänden eingeklemmt wurde. Heute führt ein gut gesicherter Wanderweg vom Naturschutzgebiet Steinmösli (Parkplatz) bis zur Naturbrücke (ein Weg ca. 20 Min.) und von dort weiter Richtung Pfaffenmoos. Von der Naturbrücke aus geniessen Sie einen einmaligen Blick in die wilde Schlucht. Das Steinmösli wiederum ist das wichtigste Hochmoor des Oberemmentals. Rund 8 Hektaren gross und geschätzte 10 000 Jahre alt ist es, dieses Bijou zwischen Eggiwil und Schangnau. Der anhaltende Torfabbau zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte dem einmaligen Lebensraum starkzu. Erst in den Neunzigerjahren wurde der Torfabbau ganz eingestellt. Zum Glück zeigte das Hochmoor eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit und bewahrte eine reichhaltige Fauna und Flora, sodass es weiterhin zu den wichtigsten des Kantons Bern gehört. 2011 gelang es Pro Natura Bern, das Hochmoor von privat zu erwerben. Mit dem Erwerb und dem kantonalen Schutz sind die Voraussetzungen geschaffen, um das grösste zusammenhängende Hochmoor des Emmentals und eines der bedeutendsten des Kantons Bern langfristig zu erhalten. Ein Augenschein vor Ort lohnt sich! Ganz besonders im Herbst. Da zeigt sich das Moor in seiner ganzen Farbepracht.
Und apropos Farbenpracht: Wenn Sie in dieser Gegend unterwegs sind, lohnt es sich, die Eggiwiler Alp Rämisgummen zu besuchen. Der Rämisgummen gilt als eine der schönsten Alpen des Bernbiets. Zwischen den Oberläufen von Emme und Ilfi s dehnt sie sich in 1200–1300 m ü. M. auf einer Fläche von 130 Hektaren aus und bietet Sömmerung für 220 Stück Vieh. Anfang September wird am Sonntag ein öffentlicher Chästeilet durchgeführt, ein geselliger Anlass mit vielen alp eigenen Produkten. Im Frühjahr, ab Anfang April bis Anfang Mai, erstreckt sich über das wunderschöne Weidegebiet ein Teppich aus bunten Krokussen. Mehr Natur ist fast nicht mehr möglich.
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NATURZYT Ausgabe September 2016, Text/Fotos Verena Zürcher