Es gibt wohl kaum eine Stadt auf der Welt, die so vieles in sich vereint wie Glastonbury. Wunderbare Kirchen, Ruinen, uralte Bäume, einen zauberhaften Park und Menschen aller Sorten.
Ob Esoteriker, Wiccas, Magier, Flowerpower- oder Gothic-Anhänger, Punks, aber auch ganz «normale» Menschen, das alles findet man in Glastonbury. Schlendert man durch die Strassen Glastonburys, wird man von Eindrücken überschwemmt. Die alten Häuser sind teilweise bunt angemalt und leuchten in allen Farben. Da gibt es Buchhandlungen, Esoterik- und Preloved-Shops, Kristall- und Hexenläden und Läden mit Krimskrams und ausgefallenen Klamotten. Dazwischen Restaurants, Pubs oder Tea-Rooms für den 4 O’clock Tea, den man aber auch gerne in der St. John’s Cathedral, welche imposant zwischen den Häusern steht, einnehmen kann – gelebte Religion. Die Energie in Glastonbury ist spürbar speziell, da es auf mehreren Ley-Linien liegen soll. Einige nennen es auch das Herzchakra der Erde.
Spaziergang durch den Glastonbury Abbey Park
Mitten in der Stadt findet man die Glastonbury Abbey, eine ehemalige Abtei der Benediktiner. Die Gründung soll bereits im 2. Jahrhundert durch Jünger Jesu erfolgt sein. Der Legende nach soll Josef von Arimathäa mit dem jungen Jesus Christus Glastonbury besucht und den heiligen Gral dorthin gebracht haben. Hier soll er auch die erste Kirche Englands errichtet haben. Wir treten ein in den Abbey Park und lassen die Geräusche des Städtchens hinter uns. Hier herrscht Ruhe und Frieden. Wohin man schaut, grünt und blüht es. Uralte Bäume spenden wohltuenden Schatten, und Bänke laden überall zum Rasten und Geniessen ein. Im Park wohnen Grauhörnchen neben verschiedenen Wildvögeln, und die beiden Teiche beherbergen riesige Karpfen und Enten in allen Farben.
Das Speziellste ist aber die hauseigene Dachsfamilie, welche man vielleicht während einer der geführten Badger-Watch’s sehen kann. 1191 haben Mönche der Glastonbury Abbey die Grabstätte von Artus und Guinevere entdeckt. In zwei Metern Tiefe stiessen sie auf eine steinerne Grabplatte und ein bleiernes Kreuz, welches die Inschrift trug: «Hier liegt der berühmte König Artus auf der Insel Avalon begraben». Heute stehen von der einst imposanten Abtei nur noch Ruinen und ein Teil der «Lady’s Chapel». Wer einmal da unten stehen darf und den tiefen Frieden und die Ehrfurcht spürt, kann diese «Legenden» gut nachvollziehen.
Besuch bei Gog und Magog
Spazieren wir dann die Hauptstrasse hoch über den Hügel, vorbei an Häusern und saftigen Weiden, über Wiesen, wo Schmetterlinge und Libellen herum surren, kommen wir zu den beiden ältesten Eichen, Gog und Magog.
Die beiden imposanten Zeitzeugen sollen die letzten Überlebenden einer Eichenallee gewesen sein, welche zu Zeiten der Druiden als Zeremonien-Weg hinauf zum Tor geführt haben soll. Während Gog schon die letzten Reste seiner Rinde verliert, steht Magog zerfurcht und voller grüner Blätter da. Neben diesen uralten, riesigen Eichen zu stehen, erfüllt uns mit tiefer Ehrfurcht. Was mögen die beiden, in den letzten 2000 Jahren wohl schon alles gesehen haben. Die Gegend ist ruhig und idyllisch, die Zeit scheint still zu stehen, und das trotz des Campingplatzes «The Old Oaks», welcher direkt angrenzt.
Über den Tor
Ein letzter liebevoller Gruss an die beiden alten Eichen, und wir gehen wieder zurück in Richtung Glastonbury. Diesmal jedoch über den Tor. Von den Briten scheint dieser Flecken Ynys yr Afalon genannt worden sein. Vielleicht das Avalon der Artussage ...
Es gibt Beweise für hölzerne Hütten aus der keltischen und römischen Zeit. Der keltische Name des Tor war Ynis Witrin, was Glasinsel bedeutet. Zur damaligen Zeit war die Ebene geflutet und bei Ebbe wurde die Insel zur Halbinsel. In der keltischen Mythologie glaubte man, dass der Tor der Eingang zu Annwn oder Avalon sei, dem Land der Feen. Später dann, brachte man den Namen Avalon mit der Artussage in Verbindung.
Wer frühmorgens bei Nebel oder abends bei Sonnenuntergang dort oben steht und sich den pfeifenden Wind um die Ohren blasen lässt, der ist geneigt zu glauben, dass Gwynn fab Nudd, der Feenkönig, jeden Moment aus dem Tor tritt. Der Michaels-Turm auf dem Hügel des Feenkönigs ist wohl die stärkste symbolische Verbindung des Heidnischen und des Christlichen.
Die Heilkräftigen Quellen von Glastonbury
Dann gehen wir, nachdem wir zurückgekehrt sind in diese Welt, auf der anderen Seite des Tor hinunter und kommen zu den beiden heiligen Quellen. Der »White Well», der weissen kalzithaltigen, und der «Chalice Well», der roten eisenhaltigen Gralsquelle. Beide entspringen nur wenig voneinander entfernt unter dem Tor, und man schreibt ihnen heilende Kräfte zu.
Während der Chalice Well Peace Garden, gegründet von Wellesley Tudor Pole, dem spirituellen Berater Churchill’s und Gründer der Silent Minute (Schweigeminute für den Frieden während des 2. Weltkrieges), täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet ist, ist der Zugang zu den Höhlen der «White Well» scheinbar nicht regelmässig geöffnet. Um die rötliche Färbung des Wassers der Chalice Well ranken sich zwei Legenden. Die eine besagt, Josef von Arimathäa habe den Kelch mit dem Blut Christi dort verborgen, woraufhin eine Quelle entsprang, eine andere, der hl. Josef habe den Gral im Quellwasser gewaschen, worauf dieses sich rötlich färbte. Das Wasser beider Quellen verfügt über eine stets gleichbleibende Temperatur zu jeder Jahreszeit. Liegt die Chalice Well im hellen sonnigen Peace Garden, welcher ruhig und voller blühender Blumen ist, liegt die Quelle der White Spring in dunklen, durch mystischen Kerzenschein erhellten Grotten, bei denen man es oft trommeln hört. Ob man beide oder nur eine besucht, entscheidet sich nach Gefühl. Wir haben uns für den Chalice Well Garden mit seinen alten Bäumen, und den Wildvögeln, welche kaum Scheu vor Menschen zeigen, entschieden.
Ein Ort des Friedens. Beim Lions Head, wo das Quellwasser direkt getrunken werden darf, steht ein schöner, alter Holy Thorn. Er soll ein Ableger des ursprünglichen Holy Thorn vom Wearyall Hill sein. Man sagt, als Josef von Arimathäa in Glastonbury rastete, hätte er seinen Wanderstab in die Erde gesteckt, worauf aus diesem über Nacht ein Dornenbusch geworden sei, welcher zweimal jährlich blüht. Jeweils zu Weihnachten und im Frühjahr. Vom ältesten bekannten Holy Thorn, welcher bei der St. John’s Cathedral steht, wird traditionell jedes Jahr zu Weihnachten ein blühender Zweig für die Königin von England geschnitten, um ihren Weihnachtstisch zu schmücken. Eine schöne Tradition.
Zufrieden setzen wir unseren Weg fort zurück Richtung Zentrum, wo wir uns ins älteste Pub, The George and Pilgrim Hotel, setzen und die vielen Eindrücke bei einem leckeren englischen Essen und einem guten Pint Revue passieren lassen.
Was Legende und was Wahrheit ist, muss am Ende des Tages jeder für sich selbst entscheiden.
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NATURZYT Ausgabe September 2015, Text, Fotos Virginia Knaus