Es ist kalt und es fällt Schnee. Der Schnee liegt wie eine schwere Decke über dem Boden und löst sich tagelang nicht auf. Die Temperaturen sind konstant unter dem Gefrierpunkt. Dieses Wintermärchen kann für gewisse Vogelarten zum Alptraum werden.
Ziehen Greifvögel und Eulen im Winter gegen Sünden?
Was machen Greifvögel und Eulen im Winter? Ziehen Sie in den Süden, wo es wärmer ist und sie einfacher an Nahrung kommen? Oder verharren sie in der Kälte und passen sich den Bedingungen an? Eine pauschale Antwort für alle hiesigen Greifvögel gibt es nicht. Die Antwort fällt sogar innerhalb einer Art unterschiedlich aus. Betrachten wir zum Beispiel den Mäusebussard. Er wird von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach in die Kategorie «Standvogel» oder «Kurzstreckenzieher» eingeordnet. Konkret bedeutet das, dass einige Vertreter seiner Art den Winter in südlicheren Gebieten verbringen. Die anderen hingegen bleiben, wo sie sind, oder ziehen nur wenige Kilometer weiter Richtung Süden. Die Alpen stellen für viele von ihnen ein unüberwindbares Hindernis dar. Die zurückgebliebenen Mäusebussarde müssen mit dem Wetter und den klimatischen Bedingungen des Schweizer Winters klarkommen.
Greifvögel haben Probleme bei zu tiefen Temperaturen
Sind die Temperaturen eher mild und bleibt der Schnee aus – dann geht es den Greifvögeln gut. Wenn die Schneedecke jedoch über Tage dicht die Böden bedeckt und der Boden gefroren bleibt, beginnen die Probleme einiger Arten. Die Kälte oder der Schnee können diesen Tieren nicht direkt etwas anhaben. Ihr Federnkleid schützt sie gut vor Unterkühlung, und sie suchen sich instinktiv gut gelegene Schlafplätze und Nisthöhlen zum Schutz. Jedoch wird die Futterversorgung schnell zum Problem. Mäuse etwa, das bevorzugte Futter des Bussards, kommen nicht mehr unter der Schneedecke hervor, sondern überbrücken schneereiche Zeiten unter der Erde und unter dem Schnee. So wird das Futter der Greifvögel rar. Da Greifvögel täglich fressen und bei einem ausgewachsenen Mäusebussard mehrere Mäuse pro Tag auf dem Ernährungsplan stehen, hungern die Tiere schnell. Dies hat bereits nach wenigen Tagen einen beträchtlichen Gewichtsverlust zur Folge. Dadurch sind die Vögel schnell nicht mehr in der Lage, genügend Energie aufzubringen, um abzuheben.
Sind die Schneedecken im Schweizer Mittelland für ein paar Tage geschlossen, so schnellen die Patientenzahlen der Greifvogelstation Berg am Irchel merklich in die Höhe. Die Patientenzahlen im Winter 2012 waren besonders hoch. Die sogenannten «Hungervögel» werden von Passanten oftmals kraftlos am Boden gefunden. In der Station dürfen sie sich erstmals erholen und bekommen der Art entsprechend ausreichend Futter, sodass sie wieder zu Kräften kommen. Die Rehabilitierungs-Chancen für die Tiere sind gut. Oftmals können sie nach wenigen Wochen und bei stabiler Wetterlage wieder in die Freiheit entlassen werden. Zu Spitzenzeiten im Winter wurden rund 10 «Hungervögel» pro Tag eingeliefert, alle wurden sie wieder aufgefüttert und freigelassen.
Nebst dem Mäusebussard leidet auch der Rotmilan unter dem Schnee. Gewohnheitsgemäss ist der Rotmilan jedoch eher in Siedlungsgebieten unterwegs und profitiert dadurch von Fütterungen der Menschen. Der Rotmilan ist ein Zugvogel und hat es sich nur aufgrund der Fütterungen angewöhnt, in immer grösseren Zahlen in der Schweiz zu überwintern. Der scheue Mäusebussard hingegen meidet die Nähe zu Wohngebieten.
Das wird ihm in diesem Fall eher zum Verhängnis. Übrigens gibt es auch Arten, welche kaum unter einem harten Winter leiden. Sperber, Habichte und Eulen wie Waldkäuze können sich ihr Futter auch bei Schnee gut besorgen. Zum einen, da sie im Wald leben. Im Wald ist die Schneedecke im Gegensatz zum Flachland oftmals weniger dick, sodass die Nahrung noch ersichtlich und damit jagdbar ist. Zum anderen besteht ihr Futter oftmals nicht ausschliesslich aus Mäusen, sondern auch andere Beute wie zum Beispiel Singvögel steht auf dem Menüplan. Die sind auch während des Winters oftmals jagdbar.
Greifvögel Fütterung im Winter
Im Winter richten viele Menschen in der Schweiz Futterstellen für Greifvögel ein. Dieses Futter wird von den Vögeln meist sehr gerne angenommen, insbesondere von Rotmilanen, welche die Nähe zu Menschen nicht scheuen. Die Futterstelle selbst sollte mind. 1,50 Meter über der Schneedecke liegen, sodass andere Tiere wie Füchse, Ratten und Katzen nicht ans Futter kommen. Idealerweise wählt man eine Stelle, bei welcher die Vögel beim Fressen möglichst ungestört sind. Insbesondere Mäusebussarde bevorzugen Stellen ausserhalb eines Wohnquartiers. Als Futter ist besonders mageres Muskelfleisch geeignet. Nicht nur der Ort der Fütterung bestimmt, welche Art mit dem Angebot angelockt wird, sondern auch das Futter an sich. Lässt man etwa Kadaver mit Fell auf der Futterstelle, so werden aasfressende Arten wie der Mäusebussard angelockt. Ein zusätzlicher Tipp: Statten Sie Futterstellen auf dem offenen Feld mit einem Befestigungsgitter aus, welches verhindert, dass das Futter runterfällt oder weggetragen wird. Mäusebussarde zum Beispiel fressen an Ort und Stelle – während Rotmilane ihre Häppchen von der Stelle nehmen und sie an einem ruhigeren Plätzchen verzehren. Es empfiehlt sich zudem, mehrmals täglich Futter bereitzustellen. Wichtig ist auch, dass man zurückgelassenes Futter wieder wegnimmt, sodass kein Gestank von der Futterstelle ausgeht.
Will man Eulen unterstützen, leichter durch den Winter zu kommen, so empfehlen wir: «Back to the Sixties», als es noch Usus war, Scheunentore offen zu lassen und nicht zuzusperren. Schleiereulen nisten und jagen sehr gerne in Scheunen. Wenn dort Heu oder Getreide gelagert wird, umso besser, denn dies lockt wiederum ihr Futter, die Mäuse, an.
Nebst der Fütterung kann der Mensch noch mehr für das Überleben der Vögel im Winter tun. Jeder Privatgarten lässt sich so gestalten, dass sich zahlreiche Arten darin auch im Winter wohlfühlen. So bieten Büsche, Abhänge, Hecken etc. Strukturen an, welche die Futtersuche für die Vögel einfacher machen. Auch die Bauern, Stadtplanerinnen und die Politik sind gefordert, strukturreiche Lebensräume zu schaffen. Säumt eine Hecke ein landwirtschaftlich genutztes Feld, so findet etwa der verzweifelt nach Nahrung suchende Bussard unter den hängenden Zweigen des Strauches eher sein Futter als auf dem offenen Feld. Die Förderung von Gebüschen, Hecken, Obstbäumen und Brachen ist eine Hilfe für Greifvögel – nicht nur im Winter.
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NATURZYT Ausgabe Dezember 2021, Text Nicole Bosshard, Fotos PanEco