Liebe garten- und naturbegeisterte Leserinnen und Leser, kräuseln sich die Blätter Ihrer Rosen und Sommerblumen schon? Oder stolpern Sie ab und zu über einen Ameisenhügel, verborgen in der Wiese oder zwischen den Pflanzen?
In der Regel ist dies der Moment, wo viele Menschen zur Giftflasche greifen, um den Blattläusen, die verantwortlich sind für kräuselnde Blätter, oder den Ameisen und ihren Hügeln den Garaus zu machen. Doch halten Sie einen Moment inne, und lesen Sie etwas über die Zusammenhänge in der Natur, zwischen Pflanzen und Tieren und zwischen den unterschiedlichsten Tierarten.
Das Ökosystem im Gleichgewicht
Alle Lebewesen haben eine Aufgabe und sind Teil unseres Ökosystems. Im besten Fall hält sich dieses Ökosystem im Gleichgewicht, doch wenn etwas Überhand nimmt, stellt sich die Frage nach dem Warum. So ist es auch im Garten. Die Bezeichnungen Schädling und Nützling sind menschengemacht und kommen so in der Natur nicht vor. So verdient zum Beispiel die Blattlaus, der Inbegriff eines Schädlings, eigentlich unsere Bewunderung, ist sie doch ein wahrer Anpassungskünstler an die unterschiedlichsten Lebensbedingungen. Wenn im Sommer die Nahrung für die Blattläuse knapp wird oder die Pflanzen überbevölkert sind, entstehen geflügelte Tiere, die dann ihre Nahrung in der weiteren Umgebung suchen können und dort neue Kolonien gründen. Diese jungen Blättläuse sind dann wieder ungeflügelt. Blattläuse mögen uns zwar unsympathisch sein, umso sympathischer sind sie jedoch den Ameisen. Blattläuse scheiden eine zuckerhaltige Lösung, den Honigtau, aus, den die Ameisen lieben und der ihre wichtigste Kohlenhydratquelle ist. Dazu werden die Blattläuse von den Ameisen regelrecht «gemolken», im Gegenzug beschützen die Ameisen sie vor Fressfeinden (zum Beispiel dem Siebenpunktmarienkäfer, der in einer Saison bis zu 200 000 Blattläuse vertilgt). Ein solches Zusammenleben nennt man Trophobiose. Das ist eine Beziehung zwischen zwei Lebewesen, in der das eine Lebewesen Nahrung spendet, welche das zweite Lebewesen aufnimmt und dafür eine «Gegenleistung» bietet, in diesem Fall also Schutz vor Fressfeinden.
«Wem Mutter Natur ein Gärtchen gibt und Rosen, dem gibt sie auch Raupen und Blattläuse, damit er’s verlernt, sich über Kleinigkeiten zu entrüsten.» Wilhelm Busch
Nützlinge oder Schädlinge
Und Ameisen: sind sie nun Nützlinge oder Schädlinge? Natürlich bauen sie ihre Nester nicht immer dort, wo es uns gefällt, aber sie deswegen gleich mit Gift umzubringen, ist nicht nötig. Eine Ameisenkolonie kann man mit einem mit Stroh, Erde oder Holzwolle gefüllten Blumentopf, den man über sie stülpt und einige Tage so stehen lässt, schonend umplatzieren. Ameisen nagen Stengel von jungen Pflanzen an, aber Ameisen fressen auch andere Insekten und Samen, die sie in ihr Nest transportieren, lassen zwischen durch ein Samenkorn fallen und tragen so zur Ausbreitung der Pflanzen bei. Und Ameisen werden gerne vom Grünspecht und anderen Tieren gefressen. Und wir Menschen freuen uns über den Grünspecht. Die verlassenen Nisthöhlen von Grün- oder anderen Spechtarten dienen Fledermäusen oder einer Viel - zahl anderer Vögel als Brutquartier. Und all diese Tiere ernähren sich oder ihre Jungen von Insekten.
Wespen vertilgen Schädlinge
Ein weiteres Tier, das viele Emotionen weckt, ist die Wespe. Die Wespe kann zwar beim Essen im Freien lästig werden, sie ist jedoch kein Schädling und sticht nur, wenn sie sich bedroht fühlt oder wenn man sich ihrem Nest nähert. Wespen erfüllen eine wichtige Funktion mit dem Vertilgen von Insekten, Forst oder Baumschädlingen. Ein Wespenvolk kann pro Tag bis zu 500 Gramm Insekten vertilgen. Spätestens im Winter stirbt auch die letzte Arbeiterin, nur die befruchtete Königin überwintert und baut im Frühjahr ein neues Nest. Das alte Nest wird nicht wieder besiedelt, es dient unter anderem der Florfliege, einem wahren Blattlausräuber, als Unterkunft. Florfliegen und ihre Larven werden wegen ihres grossen Appetits auf Blattläuse auch für die biologische Schädlingsbekämpfung gezüchtet.
Und wenn wir jetzt mit Gift eingreifen, nur weil uns das gekräuselte Blatt nicht gefällt oder uns die Wespen nerven? Erinnern wir uns an die Zusammenhänge in der Natur, und versuchen wir, all den unterschiedlichsten Lebewesen mit mehr Toleranz zu begegnen. Irgendwo im Ökosystem ist garantiert ein Lebewesen, das uns sympathisch ist und das, direkt oder indirekt, von Blattläusen und Co. abhängig ist.
Ein paar Tipps
Wenn Sie dennoch nicht tatenlos zusehen wollen und die mögliche Flut von Schädlingen im Garten eindämmen wollen, hier ein paar Tipps zur Prophylaxe. Pflanzen kränkeln nämlich schon vor dem Befall durch Schädlinge. Stehen Pflanzen nicht am richtigen Ort, und damit meine ich nicht optisch, sondern ihren Lebensbedingungen angepasst, kann das eine Pflanze schwächen. Zu viel oder zu wenig Wasser, zu heiss, zu schattig oder ungeeigneter Boden, zu viel oder zu wenig Dünger, alles Faktoren, die die Gesundheit und letztendlich die Robustheit einer Pflanze beeinflussen. Es ist deshalb wichtig, die Bedürfnisse der Pflanzen zu kennen.
Schädlinge haben einen siebten Sinn für schwächelnde und kränkelnde Pflanzen, und eswird nicht lange dauern, bis Läuse, Schnecken und Co. sich an ihr gütlich tun. Eine gesunde Pflanze überlebt jedoch ein gewisses Mass an Schädlingen problemlos.
Aktiver Pflanzenschutz im Gemüsegarten ist die Mischkultur. Statt reihenweise Monokultur werden hier Pflanzen dazwischengesetzt, die durch ihren Duft Schädlinge fernhalten, die Verbreitung der Schädlinge erschweren oder natürliche Feinde anlocken.
Eine weitere Massnahme ist das Selberansetzen von Brühen oder Jauchen. Dazu eignen sich viele verschiedene Pflanzen wie Brennnesseln, Ackerschachtelhalm, Beinwell, Löwenzahn, Wermut und viele andere. Es gibt zahlreiche Rezepte und Anwendungsvorschläge, Sie finden Rat dazu im Internet oder in Büchern.
Sind Pflanzen bereits von Schädlingen befallen, kann man diese von Hand ablesen, abschütteln, abspritzen (zum Beispiel mit Seifenlauge gegen Blattläuse) oder die befallenen Triebe abschneiden. Auch können Schneckenzäune, Fallen, Leimringe und Vogelscheuchen aufgestellt werden.
All diese giftfreien Methoden brauchen (leider) mehr Zeit als der Griff zur Giftflasche. Auch Biogifte sind nicht bedenkenlos anwendbar, da immer noch viele nicht nützlingsschonend sind.
Der beste Pflanzenschutz ist immer noch ein funktionierendes Ökosystem, in welchem Schädlinge und Nützlinge ihren Platz haben. Gärtnern Sie daher giftfrei, schaffen Sie einen Garten, in dem Nützlinge ein lebenswertes Umfeld mit einheimischen Pflanzen und Kleinstrukturen finden und in dem sie, dank den Schädlingen, jede Menge zu fressen haben.
Herzlich
Claudia Ebling
www.natur-im-garten.ch
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NATURZYT Ausgabe Juni 2016, Text Claudia Ebling, Foto AdobeStock