Wahre Tausendsassas! Für jeden Gartenbereich ein Katzenäuglein.
Kaum eine andere Gattung weist ein vergleichbares Potenzial für die Verwendung im Garten auf wie die Ehrenpreise (Veronica).
Von aquatischen Bedingungen über schwere Lehmböden bis hin zu durchlässigen Magerbereichen, beinahe jeder Lebensbereich kann mit ihnen bereichert werden. Darüber hinaus ist das Vorkommen und Gedeihen der meisten Arten nicht streng an spezifische Bodenbedingungen gebunden. So findet man z.B. den Bach-Ehrenpreis (Veronica beccabunga) in Fliessgewässern und ebenso auf frischen Böden in Gewässer- und Waldnähe. Eine ähnliche Art in puncto vielseitiger Verwendung ist der Gamander- Ehrenpreis (Veronica chamaedrys). Diese Art wächst sowohl an sonnigen und mässig trockenen sowie eher mageren Standorten als auch unter nährstoffreichen, frisch-feuchten und halbschattigen Bedingungen. Diese Eigenschaften machen Ehrenpreise zu genügsamen Kultur- und Wildpflanzen!
Eine von vielen spannenden Gattungen innerhalb der Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae), welche wir genauer unter die Lupe nehmen sollten.

Ehrenpreis in vielfältigen Blau-, Weiss- und Rottönen
Wenn man an Ehrenpreise denkt, kommen einem als Allererstes diverse Blautöne in den Sinn. Das Farbspektrum reicht allerdings von Weiss über Weissbläulich bis hin zu Dunkelblau, hinzukommend unterschiedlichste Nuancen innerhalb der genannten Farbgebungen. Nebst blau- und weissblühenden Arten sind es ein paar wenige purpurne und rosarote Wildarten und Kulturformen, die aus der Reihe tanzen. Zu den «rotblühenden» Kulturarten und Wildarten zählen z.B. Ähriger Ehrenpreis (Veronica spicata «Rotfuchs»), Niederliegender Ehrenpreis (Veronica prostrata «Lilac Time»), Langblättriger Ehrenpreis (Veronica longifolia «Charming Pink»), Rötlicher Wasser- Ehrenpreis (Veronica catenata), Filziger Ehrenpreis (Veronica surculosa) und Halbstrauchiger Ehrenpreis (Veronica fruticulosa). Eine grosse Ausnahme stellt das Gelbe Mänderle dar, welches jedoch aktuell mit dem Blauen Mänderle zur namensgebenden Gattung Paederota (Mänderle) gestellt wird.

Der Ehrenpreis besiedelt Beete, Wiesen und Randbereiche
Naturnahe Gärten beherbergen oft eine Vielzahl an Ehrenpreisen. Offener Boden, entstanden durch Störung und Erosion, fördert besonders das Aufkommen der einjährigen Arten. Diese zarten Gestalten besiedeln Beete, Wiesen, Randbereiche zwischen Weg und Kulturfläche sowie den Gehölzsaum. Aufgrund ihrer filigranen Figur, des kriechenden oder niederliegenden Wuchs es verschmelzen sie mit dem Standort und lassen anderen Arten Raum und Luft .
Um die einjährigen Ehrenpreise zu fördern, bedarf es einer weniger gründlichen Gartenpflege, denn, wie schon erwähnt, besiedeln sie gerne offene Böden (Ruderalstellen). Der Persische Ehrenpreis (Veronica persica) eignet sich z.B. auch hervorragend in Gemüsebeeten als schutzspendender Bodendecker während der Wintermonate. Seine Ankunft geschieht von ganz alleine!

Ehrenpreise für Beet und Wiese eine optische Bereicherung
Bei lebendigen Staudenbepflanzungen dürfen Ehrenpreise auf keinen Fall fehlen. Auch in naturnahen Wiesen und Saumgesellschaften sind einige Arten eine ökologische sowie optische Bereicherung.
Bezüglich der Artenwahl für ein sonniges Staudenbeet kommt man kaum am Grossen Ehrenpreis (Veronica teucrium) vorbei. Mit seinem aufrechten Wuchs, der üppigen Blüte und enormen Vitalität, ist er eine zuverlässige Gartenpflanze. Als halbhohe (20–50 cm) Begleitstaude kommt die Art besonders im Vordergrund von Solitärstauden und hinter Bodendeckern gut zur Geltung.

Der Faden- und Gamander-Ehrenpreis
Für naturnahe Wiesen- oder Saumgesellschaften, welche von schattiger bis sonnenexponierter Lage reichen, benötigt es wilde Gesellen, die auch mit Konkurrenzdruck der Gräserwelt, Gehölzen und anderen dominanten Wildpflanzen zurechtkommen.
Bereits Anfang März trifft man vielerorts den Faden-Ehrenpreis (Veronica filiformis) an. Auf nährstoffreichen, lehmigen und frischen Weiden und Wiesen, am sonnigen bis halbschattigen Standort entwickeln sich im zeitigen Frühling lockere Blütenwolken. Ursprünglich kam die Art aus dem Kaukasus, jedoch hat sie sich blendend in die heimische Flora integriert. Der Faden- Ehrenpreis meidet kalkige Böden und vermehrt sich grösstenteils vegetativ. Diese Vermehrung erfolgt nicht über Ausläufer, sondern abgeschnittene Pflanzenteile. Man geht davon aus, dass das Mähen für die Verbreitung verantwortlich ist. Dieser Neophyt ist eine wahre Bereicherung für die einheimische Flora!
Ähnliche Ansprüche zeigt der bereits erwähnte Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys). Im Vergleich zum Faden- Ehrenpreis ist die Art allerdings bedeutend wüchsiger, konkurrenzfähiger und treibt unterirdische Ausläufer. Allerdings bildet sie nur am sonnigen Standort Blüten aus und bleibt im Schatten steril. Von April bis Ende Juli sind die tiefblauen Blüten zu sehen.

Der Echte Ehrenpreis wächst am Gehölzrand
Wurzeldruck mit daraus resultierender Trockenheit und Nährstoffarmut, Schatten oder ein feuchtkühles Mikroklima gilt es am Gehölzrand oder Fuss von Baum und Strauch zu meistern. Im Halbschatten auf saurem und mässig trockenem Boden wächst der Echte Ehrenpreis (Veronica officinalis). Die Art gilt seit jeher als Heilpflanze und wird bei Beschwerden der Atemwege, Rheuma, Gicht sowie Verdauungsbeschwerden eingesetzt. In der Gartenkultur gehört sie leider noch zu den Unbekannten. Welch ein Unrecht!

Der Bach- und blauer oder rötlicher Wasser-Ehrenpreis lieben Uferbereiche
Manche Ehrenpreise mögen sogar nasse Füsse. Dazu gehören Bach-Ehrenpreis (Veronica beccabunga), Blauer Wasser-Ehrenpreis (Veronica anagallis-aquatica), Rötlicher Wasser-Ehrenpreis (Veronica catenata) und Schild-Ehrenpreis (Veronica scutellata). Sie stehen gerne im Uferbereich von Gewässern, im Sumpf, auf wechselnassen Flächen, aber auch bis zu einer gewissen Tiefe im Wasser. Abgesehen vom Bach-Ehrenpreis bevorzugen alle Arten einen sonnigen Standort und wachsen aufrecht.

Anatolien-, kriechende oder Quendel- Ehrenpreis sind Spezialisten für Fugen und Steingärten
Gerade ihre Wuchsform macht viele mehrjährige Vertreter dieser Gattung zu prädestinierten «Lückenfüllern» und Bodendeckern. Arten wie der Anatolien-Ehrenpreis (Veronica liwanensis), der Kriechende Ehrenpreis (Veronica repens) und der Quendel-Ehrenpreis (Veronica serpyllifolia) können zur Begrünung von Fugen, Ritzen und kleinsten Hohlräumen zwischen Gehwegen, auf Plätzen und Treppen verwendet werden. Aufgrund ihrer sehr geringen Wuchshöhe, welche zwischen 3 und 20 Zentimetern liegt, des dichten Blattwerks und der kurzen kriechenden Triebe halten diese Arten Trittbelastung aus, ohne erwähnenswerten Schaden zu nehmen. Sie sind zudem sehr empfehlenswert für trockene und stark besonnte Lebensbereiche.
Wer Ehrenpreise für die Bepflanzung einer Trockenmauer in Erwägung zieht oder sie sich fürs eigene Alpinum wünscht, dem steht eine grosse Artenvielfalt zur Verfügung. Dafür geeignet wären unter anderem der Felsen-Ehrenpreis (Veronica fruticans), der Blattlose Ehrenpreis (Veronica aphylla) und der Rasige Ehrenpreis (Veronica caespitosa). Auch sie sind von niedriger und kriechender Natur und bilden somit schöne Polster.

Ehrenpreise haben Nektar und Pollen für Bienen, Hummeln und Wespen-Arten
Wie fast alle Blütenpflanzen sind auch die Ehrenpreise auf Fremdbestäubung angewiesen. Aufgrund dessen bieten sie Nektar und Pollen für diverse Hautflügler, darunter Bienen, Hummeln und Wespen- Arten. Ebenso profitieren Zweiflügler wie z.B. Schwebfliegen und diverse Falterarten vom Angebot. Obendrein dienen Blätter und Stängel einigen Falterarten als Raupenfutter. Angesichts dessen sind Ehrenpreise von hohem ökologischen Wert für die Fauna. Nach dieser kleinen Reise durch die Welt der Ehrenpreise besteht bei mir die Hoffnung, dass die gewonnene Inspiration euch dazu verleitet, diesen Geschöpfen im Garten oder auf dem Balkon ein Plätzchen zu gewähren. Es handelt sich um wahre Alleskönner!
Ihr Sebastian Wagener
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NATURZYT, Ausgabe März 2023, Text/Fotos Sebastian Wagener, Klaus Oetjen, Albert Krebs