Blütenzauber leicht gemacht! Wie Wildpflanzen dunkle Bereiche ökologisch und optisch aufwerten.
Die Altbekannten, wie Funkien (Hosta), Helleborus, Gräser und diverse Farne kommen einem zuerst in den Sinn, wenn man an schattige Standorte denkt. Oftmals gelten diese Flächen als problematisch. Wurzeldruck, Trockenheit, Lichtmangel oder permanente Feuchtigkeit prägen diese Lebensbereiche. Dabei gibt es Wildpflanzen, die sich gerade über ein solches Plätzchen freuen würden. Ob als erprobter Bodendecker unter einer alten Walnuss (Juglans regia) oder einzeln und freistehend an der Nordseite eines Hauses, für eine erfolgreiche Bepflanzung ist die passende Pflanzenwahl ausschlaggebend.
Einzigartige Lebensräume und ihre Pflanzengesellschaften
Ob eher unscheinbar wie der Echte Ehrenpreis (Veronica o¬ cinalis), farbenfroh wie das Gefleckte Lungenkraut (Pulmonaria o¬ cinalis) oder gar stolz wie der Wald-Geissbart (Aruncus dioicus), in der Krautschicht und am Rande eines Waldes verbergen sich wahre Schätze für unsere Gärten. Nebst der Recherche vor einer geplanten Bepflanzung kann ein aufmerksamer Waldspaziergang in der Umgebung durchaus hilfreich sein, um die einzigartigen Lebensräume und ihre Pflanzengesellschaften besser kennenzulernen. Auch botanische Sammlungen und ältere Parkanlagen bieten reichlich Inspiration. In Grossbritannien sind solche Gärten als Woodland Gardens (Waldgärten) bekannt. Magische naturalistische Welten mit einer dezenten Note formaler Struktur. Hier treffen häufig heimische Pflanzen auf Kulturformen und Wildpflanzen aus unterschiedlichen Teilen der Erde. Was sie alle verbindet, sind ähnliche Ansprüche bezüglich Boden- und Lichtverhältnissen. Gerade diese Mischung erschafft Einzigartiges, der eigenen Kreativität sind hierbei kaum Grenzen gesetzt.
Zu den verschiedenen Lebensbereichen gehört z.B. der Gehölzrand. An dieser Stelle herrschen in den meisten Fällen halbschattige Licht und feuchte bis trockene Bodenverhältnisse. Am Waldrand oder unter einer Hecke im Krautsaum finden sich die idealen Wildpflanzen für ähnliche Standorte im Garten.
Wildpflanzen für Bereiche unter grossen Bäumen
Speziell zu nennen hierfür wären Salbei Gamander (Teucrium scorodonia) (eher trocken), Wald-Witwenblume (Knautia dipsacifolia), Schöllkraut (Chelidonium majus), Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum), Silberblätter (Lunaria annua und redivia), Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum) und die Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa). Bereiche unter grösseren Bäumen können betreffend Lichtangebot stark variieren. Vom äussersten Bereich des Schattenwurfs der Krone bis zur Baumscheibe im Zentrum sind mehrere Verhältnisse möglich. Üblicherweise wird diesbezüglich in der Pflanzenverwendung jedoch allgemein der Begriff Schatten genutzt. Die Fläche direkt auf der Wurzelscheibe birgt wohl die grössten Herausforderungen. Wurzeldruck, relativer Trockenheit, Gerb- und Hemmstoff en sowie Lichtmangel gilt es hier Herr zu werden. In diesem Habitat geben Bäume und Sträucher den Ton an. Krautige Pflanzen müssen daher konkurrenzstark sein oder über ausgeklügelte Vermehrungs- oder Wuchsstrategien verfügen.
Arten wie Bergwald-Storchschnabel (Geranium nodosum), Blauroter Steinsame (Aegonychon purpurocaeruleum), Gundermann (Glechoma hederacea), Echter Ehrenpreis (Veronica o¬ cinalis), Ruprechtskraut (Geranium robertianum), Klebriger Salbei (Salvia glutinosa) und selbst der Sumpf-Storchschnabel (Geranium palustre) kommen gut mit den schwierigen Faktoren zurecht. Wer den Fuss einer Walnuss (Juglans regia) begrünen möchte, entscheidet sich am besten für eine Gemeinschaft aus Balkan-Storchschnabel (Geranium macrorrhizum), Berg-Flockenblume (Cyanus montanus), Hohlem Lerchensporn (Corydalis cava), Buschwindröschen (Anemone nemorosa) und Straussfarn (Matteucia struthiopteris). Der keimhemmende Stoff Juglon wird von diesen Arten toleriert.
Innerhalb von halbschattigen bis schattigen Bereichen sind die Möglichkeiten enorm. Hier kann man die Lichtverhältnisse schwer definieren. An manchen Stellen küsst die Sonne durch Lücken im Kronendach den Boden und die Welt auf ihm. Morgens und am frühen Abend mit den passenden Akteuren eine märchenhafte Erscheinung.
Das intime Licht setzt hier die Pflanzen in Szene! An düsteren Stellen sollten weissblühende Arten für Licht sorgen. Ein essenzieller Aspekt in der Gestaltung derartiger Lebensräume. Hierfür eine ökologische wie auch farben- und formenfrohe Auswahl, welche Farne, Gräser und Blattschmuckstauden wie Funkien (Hosta) und Purpurglöckchen (Heuchera) nicht ausschliesst, ganz im Gegenteil. Sie sind vortrefflich mit Grosser Sternmiere (Stellaria holostea), Akeleiblättriger Wiesenraute ( alictrum aquilegifolium), WiesenBärenklau (Heracleum sphondylium), Breitblättriger Glockenblume (Campanula latifolia var.macrantha «Alba»), Hasenlattich (Prenanthes purpurea), Wald-Scheinmohn (Meconopsis cambrica), Kohl-Kratzdistel (Cirsium oleraceum), Wald-Ziest (Stachys sylvatica), Immenblatt (Melittis melissophyllum) und WaldGeissbart (Aruncus dioicus) kombinierbar.
Frühe lichthungrige Blüten
Für Problemstandorte, z.B an einer schattigen Hausfassade, haben sich das robuste Russel-Brandkraut (Phlomis russeliana), die Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium), der Kaukasus-Gamander (Teucrium hircanicum) und das Hohe Helmkraut (Scutellaria altissima) bewährt.
Früh im Jahr zeigen sich die ersten lichthungrigen Blüten, darunter Winterlinge (Eranthis), Schneeglöckchen (Galanthus), das Atlantische Hasenglöckchen (Hycinthoides non-scripta), die Frühlings-Knotenblume (Leucojum vernum) und eine Heerschar Blausterne (Scilla), welche das noch vorhandene Licht unter Gehölzen für die Bestäubung durch die Frühaufsteher in der Insektenwelt nutzen. Es sind allesamt Geophyten (Erdpflanzen), die durch ihren Lebensrhythmus bestens an schattige Lebensbereiche angepasst sind. Bei einer ganzheitlichen Bepflanzung dürfen Zwiebel- und Knollenpflanzen auf keinen Fall fehlen. Sie läuten den Frühling ein und verlängern das Nahrungsangebot. Nach der Samenausreifung begeben sie sich wieder ins Erdreich und warten unter dem Blätterdach auf den nächsten Frühling. Innerhalb weniger Jahre nach der Pflanzung können diese Überlebenskünstler üppige Bestände hervorbringen. Für eine ganzheitliche Schattenbepflanzung ist die Berücksichtigung solcher Frühblüher unabdingbar.
Tierische Besucher in den Garten holen
Im Zwielicht von Saumstandorten und Waldrändern kann nicht nur eine grosse botanische Vielfalt angetroffen werden, auch die Tierwelt ist hier gut vertreten. Arten, die man durch entsprechende Pflanzungen und gärtnerische Interpretationen des Lebensraums auf das eigene Grundstück locken kann. Igel (Erinaceus europaeus) halten sich gern in der dichten Vegetation am Gehölzrand auf. Hier können sie im Pflanzenwuchs ungestört den Tag verschlafen, um in der Dämmerung auf Nahrungssuche zu gehen. Bei Erdkröten (Bufo bufo) sieht es ähnlich aus, sie verkriechen sich übertags an feuchten Stellen im Staudendickicht. Beide sind willkommene Nützlinge im Garten und faszinieren durch ihre interessante Lebensweise. Sowohl Igel als auch Kröten profitieren übrigens von Totholzhaufen, einem Strukturelement von Waldrandsituationen, das sich sehr gut auch im naturnahen Garten integrieren lässt. Viele weitere Tiere lassen sich hier nieder, solche Haufen sind wahre Kleintierherbergen.
Insekten sind an waldartigen Orten in grosser Zahl zu finden. Wer genau hinschaut, kann z.B. unter der Hecke den prächtigen Goldglänzenden Laufkäfer (Carabus auronitens) auf der Schneckenjagd entdecken. Oder das knallrote Maiglöckchenhähnchen (Lilioceris merdigera), das sich neben anderen Liliengewächsen tatsächlich auch vom hochgiftigen Maiglöckchen ernährt und dessen Larven sich in einer Hülle aus eigenem Kot verstecken. Wer in seinem Garten die Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata) duldet, kann nicht nur deren Blätter als Salatzutat ernten, sondern auch mit dem Auftauchen des Aurorafalters (Anthocharis cardamines) rechnen. Dieser hübsche Tagfalter legt an ihr seine Eier ab, aber auch am Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis) und an der Nachtviole (Hesperis matronalis) kann man mit etwas Glück und scharfem Blick seine gut getarnten grünen Raupen entdecken. Wichtig ist, die verblühten Stängel bis im Frühjahr stehen zu lassen, denn an ihnen überwintern die schlanken Puppen. Im Übergangsbereich von Gehölzen zur Krautschicht fühlen sich auch Langfühlerschrecken wohl. Zu den beiden häufigeren Arten zählt die Gemeine Strauchschrecke (Pholidoptera griseoaptera). Sie ist unauffällig gräulich-braun gefärbt und versteht es hervorragend, sich in Sträuchern oder Stauden zu verstecken. Meist fällt sie vor allem durch ihre kurzen Zirplaute auf, längst bevor man sie zu Gesicht bekommt. Sie legt ihre Eier an feuchtwarmen Stellen ab, wo sie zwei Jahre ruhen, bis die winzigen Schreckenlarven schlüpfen. Eine zweite Heuschrecke, die an Saumstandorten im Garten nicht selten auftritt, ist die Punktierte Zartschrecke (Leptophyes punctatissima). Sie ist durch ihre grüne Färbung im Blattwerk fast unsichtbar. Auch Wildbienen sind an Waldrand- und Heckensituationen zu erwarten. Die häufige Frühlings-Pelzbiene (Anthophora plumipes) ist bereits früh im Jahr unterwegs und steuert mit Vorliebe die Blüten des Lungenkrauts (Pulmonaria o¬ cinalis) an, aber auch Hohler und Festknolliger Lerchensporn (Corydalis cava und solida), Taubnesseln (Lamium) und Primeln (Primula) sind beliebte Pollenquellen. Ihre sommerliche, etwas kleinere Verwandte, die Wald-Pelzbiene (Anthophora furcata) ist oft schon anhand ihres hohen Summtons zu erkennen. Sie sammelt fast ausschliesslich an Lippenblütlern. Wald-Ziest (Stachys sylvatica) und Alpen-Ziest (Stachys alpina) sind besonders beliebt und passen gut in eine entsprechende Pflanzung. Wer hier ausserdem morsche Holzstücke aufstellt, kann daran diese Pelzbiene beim Nagen ihres Nistganges und beim Eintragen des Pollens beobachten. Eine weitere Wildbiene, die sich in schattigeren Lagen zuhause fühlt, ist Megachile ligniseca, eine Blattschneiderbienenart. Wie die meisten Blattschneiderbienen tapeziert auch sie ihr Nest in Hohlräumen in morschem Holz mit eigens dafür zugeschnittenen Blattstücken. Sie besucht zwar verschiedene Pollenquellen, hat aber eine besondere Vorliebe für die Blüten des Klebrigen Salbeis (Salvia glutinosa). Hier lässt sich auch ein einzigartiges Sammelverhalten beobachten: Die Weibchen landen auf den grossen gelben Salbeiblüten und drehen sich flugs auf den Rücken, um mit ihrer Bauchbürste den Pollen aus den durch einen Schlagbaummechanismus in Bewegung gesetzten Staubgefässen zu ernten.
Die Aufzählung weiterer Arten könnte beliebig fortgesetzt werden. Wer mit offenen Augen durch den Garten geht, darf immer wieder aufs Neue über die Wunder der Natur, ihre Verknüpfungen und Vernetzungen staunen, sowohl im Dunkel wie auch im Licht. Eine Auflistung von Schattenpflanzen für den naturnahen Garten hat das Team für Sie zusammengestellt.
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NATURZYT Ausgabe März 2020, Text Sebastian Wagener, Dani Pelagatti Fotos Sebastian Wagener, Jürgen Vormann, Entomologie/Botanik, ETH Zürich / Fotograf Albert Krebs, Pixabay, Wikipedia