Winterschmuck und Lebensraum! Zierende Bodenbedeckung während der kalten Jahreszeit und schützender Unterschlupf für Kleingetier.
Grundständige Rosetten kommen in mannigfaltiger Farben- und Formenpracht daher. Die einen besitzen eine wollige oder flaumige Blattstruktur, andere sind geschlitzt oder mit wehrhaft en Dornen besetzt , und dann wären da noch jene spektakuläre n Geschöpfe, welche alle diese Merkmale miteinander vereinen.
Was sind Rosettenpflanzen?
Blattrosetten kommen vorwiegend im mediterranen Raum oder im Hochgebirge vor. Durch ihr grundständiges Blattkleid sind sie in der Lage, die höhere Wärme in Bodennähe für die Assimilation (Stoffwechsel) zu nutzen. Die meisten Arten besitzen einen ein- bis zweijährigen Lebenszyklus und sterben nach der ersten Blüte ab. Dabei handelt sich um Pionierarten welche gerne Ruderalflächen jeglichster Art, d.h. gestörte Flächen mit offenem Boden, besiedeln. Mit ihren Blättern überdauern sie vom Winter bis zum Frühjahr und ziehen dementsprechend nicht ein. Sobald es wärmer wird, beginnen sie mit dem generativen Wachstum, strecken ihren Spross und beglücken uns mit einem meist imposanten Blütenspektakel. In der Botanik unterscheidet man zwischen Halb-und Ganzrosettenpflanzen. Die «Ganze» Rosette trägt keine Stängelblätter, wo hingegen die «Halbe» wenig bis reich beblättert ist.
Ein ökologisches Wunder
Rosettenpflanzen sind nicht nur nett zu beäugen, des Weiteren bieten sie aufgrund ihrer bodennahen, den Winter überdauernden und oft starkwüchsigen Gestalt Insekten, Spinnentieren, Asseln und vielen Mikroorganismen Lebensraum und Schutz. Ums Herz der Rosette tummelt sich in den meisten Fällen vielerlei Kleingetier, insbesondere Wanzen, Spinnen und Käfer fühlen sich geborgen. Bei sehr üppigen Exemplaren überwintern oder rasten auch mal Erdkröten (Bufo bufo), Grasfrösche (Rana temporaria) und Bergmolche (Ichthyosaura alpestris). Rosettenpflanzen sind daher in einem naturnahen und strukturreichen Garten ein Muss!
Diese Alleskönner besitzen zudem bodenschützende und -belebende Eigenschaften. Während trockener Zeiten halten sie den Boden feucht und das Bodenleben intakt, schützen die oberen Schichten vor Erosion durch Frost, Wind, Starkregen und Umweltgift en. Die perfekte Gründüngung.
Da sie meist eine tiefreichende Wurzel treiben, ziehen Rosettenpflanzen Wasser aus unteren Erdschichten nach oben und machen dieses für die höher gelegene Vegetation verfügbar. Diese Eigenschaft macht Arten mit einer Blattrosette und tiefen Wurzeln im Übrigen für die Zukunft interessant. Ausserdem lockern sie die Bodenstruktur.
Nach der auffälligen Blattrosette folgt normalerweise ein bei Insekten beliebter Blütenflor. Disteln (Cirsium, Carduus und Onopordum, z.B. Ptilostemon), Königskerzen (Verbascum), Natternköpfe (Echium), Nachtkerzen (Oenothera), Fingerhüte (Digitalis) und Schuppenköpfe (Cephalaria) bieten während der Blütezeit ein reiches Buffet. Davon profitieren auch viele spezialisierte Insektenarten.
Die reifen Samenstände werden von diversen Sperlingsvögeln wie z.B. dem prächtig gefärbten Stieglitz (Carduelis carduelis) dankbar abgeerntet. Obendrein nützen verschiedene Insektenarten die Pflanzenstängel als Kinderstube.
In Anbetracht der flaumigen oder wolligen Blattstruktur , welche einige der «rosettigen» Artenbesitzen, kommt die Garten-Wollbiene (Anthidium manicatum) bei Königskerzen wie der Seidigen Königskerze (Verbascum bombyciferum «Polarsommer») und der Gewöhnlichen Eselsdistel (Onopordum acanthium) auf ihre Kosten. Denn sie bevorzugt Pflanzenhaare , um ihr Nest auszupolstern.
Rosettenpflanzen im Garten verwenden
Arten wie die Kandelaber-Königskerze (Verbascum olympicum) und die Wollkopf-Kratzdistel (Cirsium eriophorum) sind wahrlich keine Kandidaten für Balkongärten mit überschaubarer Grösse. Rosettenpflanzen, welche normalerweise eine stattliche Dimension erreichen, sind allerdings Überlebenskünstler, was die Gegebenheiten betrifft, und passen sich dementsprechend an. Man sieht sie z.B. auch gerne mal in Fugen im urbanen Raum wachsen. Ihr volles Potenzial entfalten sie jedoch nur unter guten Bedingungen. Nickende Distel (Carduus nutans), SchlitzblattKarde (Dipsacus laciniatus), Roter Fingerhut (Digitalis purpurea), Färberwaid (Isatis tinctoria), Illyrische Eselsdistel (Onopordum illyricum) und Gewöhnliche Nachtviole (Hesperis matronalis) benötigen Raum und bevorzugen nährstoffreiche, tiefgründige und sonnige oder halbschattige Standorte.
Für die Topfkultur auf Terrasse oder Balkon eignen sich z.B. FlachblattMannstreu (Eryngium planum), WiesenSalbei (Salvia pratensis), Schwarze Königskerze (Verbascum nigrum) Gewöhnliche Golddistel (Carlina vulgaris), Echte Schlüsselblume (Primula veris) , die eine Ganzrosettenpflanze ist, und Russischer Natternkopf (Echium russicum).
Da die Mehrheit der Rosettenpflanzen zweijährig ist, empfiehlt es sich , noch während der Sommermonate oder im Frühherbst Jungpflanzen zu setzen oder direkt anzusäen. So reicht ihnen die noch vorhandene Vegetationsperiode , um eine stattliche Rosette auszubilden und im kommenden Sommer mit einer überzeugenden Blüte zu glänzen.
Wenn im Garten oder auf dem Balkon bereits samentragende Exemplare vorhanden sind, sollte im Radius der Pflanzen für offenen Boden gesorgt werden.
Rosettenpflanzen sorgen optisch das ganze Jahr über für bereichernde Akzente und harmonieren mit horstigen, kriechenden, niederliegenden, ausläuferbildenden und besonders aufrechten filigranen Wuchsformen. Aus meiner Sicht wirkt ihre Gestalt ausgesprochen stimmig , wenn diverse rosettenbildende Arten dicht beieinander stehen. Die unterschiedlichen Texturen und Formen werten sich gegenseitig auf. Im Zusammenspiel mit höheren Gräsern, verspielten und eher filigranen Details sind sie jedoch auch ein Augenschmaus.
Ich habe die wunderschöne Vielfalt an Blattrosetten als fühlbare Verlängerung der Vegetationsperiode und trostspendendes Grün während der kalten und dunkeln Wintertage für mich entdeckt. Sie wärmen das Herz mit Vorfreude auf die kommende Saison.
Auswahl von Rosettenpflanzen für den naturnahen Garten
Kandelaber-Königskerze - Verbascum olympicum
gelb Blütezeit: Juni–August Höhe: 150–220 cm mehrjährig Standort: Ruderal, Beet, sonniger Gehölzrand, sonnig, trocken–frisch, nährstoffreich–mässig nährstoffarm Partner: Ruthenische Kugeldistel (Echinops ritro), Wiesen-Storchschnabel (Geranium pratense), Wilde Möhre (Daucus carota)
Nickende Distel - Carduus nutans
purpur Blütezeit: Juni–August Höhe: 80–180 cm zweijährig Standort: Ruderal, sonniger Gehölzrand, Beet, sonnig, trocken–frisch, nährstoffreich–nährstoffarm Partner: Heil-Wurz (Seseli libanotis), Färber-Hundskamille (Anthemis tinctoria), Wander-Bibernelle (Pimpinella peregrina)
Verzweigte Eseldistel - Onopordum bracteatum
purpur Blütezeit: Juni–August Höhe: 150–220 cm zweijährig Standort: Ruderal, sonniger Gehölzrand, Beet, sonnig, trocken–frisch, eher nährstoffreich–nährstoffarm Partner: Liebstöckel (Levisticum officinale) Hanfblättriger Eibisch
Weber-Karde - Dipsacus sativus
weiss Blütezeit: Juli–August Höhe: 120–180 cm zweijährig Standort: Waldrand, ruderal, Gehölzrand, Beet, sonnig, halbschattig, mässig trocken, frisch, nährstoffreich, mässig nährstoffarm Partner: Schmalblättriges Weidenröschen (Epilobium angustifolium), Graue Kratzdistel (Cirsium canum), Französischer Milchlattich (Cicerbita plumieri)
Graue Kratzdistel - Cirsium canum
purpur Blütezeit: Juli–September Höhe: 120–200 cm mehrjährig Standort: Waldrand, Teichrand, Feuchtwiese, Gehölzrand, Beet, sonnig, halbschattig, feucht–frisch, nährstoffreich Partner: Sumpf-Wolfsmilch (Euphorbia palustris), Blutweiderich (Lythrum salicaria), Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium)
Muskatteller-Salbei - Salvia Sclarea
rosaviolett Blütezeit: Juni–August | Höhe: 50–150 cm zweijährig Standort: Trockenruderal, Beet, Balkon, sonnig, trocken–frisch, nährstoffarm–nährstoffreich Partner: Ochsenauge (Buphthalmum salicifolium), Gewöhnliche Ochsenzunge (Anchusa officinalis), Heil-Ziest (Stachys officinalis)
Gewöhnliche Golddistel - Carlina vulgaris
gelb Blütezeit: Juli–September Höhe: 30–60 cm zweijährig Standort: Trockenruderal, Trockenrasen, sonniger Gehölzrand, Beet, Balkon, sonnig, trocken–frisch, mässig nährstoffreich– eher nährstoffarm Partner: Blutroter Storchschnabel (Geranium sanguineum), Genfer-Günsel (Ajuga genevensis), Wiesen-Salbei (Salvia pratensis)
Flachblatt-Mannstreu - Eryngium planum
blau Blütezeit: Juli–August Höhe: 40–100 cm mehrjährig Standort: Beet, sonniger Gehölzrand, Balkon, sonnig–halbschattig, trocken–frisch, nährstoffreich–mässig nährstoffarm Partner: Woll-Ziest (Stachys byzantina), Pyrenäen-Reiherschnabel (Erodium manescavii), Bronze-Fenchel (Foeniculum vulgare «Smokey»)
Kretischer Ziest - Stachys cretica
lilarosa Blütezeit: Juni–August Höhe: 60–100 cm mehrjährig Standort: Trockenruderal, sonniger Gehölzrand, Beet, Balkon, sonnig–halbschattig, trocken–frisch, mässig nährstoffreich–nährstoffarm Partner: Acker-Glockenblume (Campanula rapunculoides), Tauben-Skabiose (Scabiosa columbaria), Schwarze Königskerze (Verbascum nigrum)
Schwarze Königskerze - Verbascum nigrum
gelb Blütezeit: Juni –August Höhe: 100–120 cm mehrjährig Standort: Trockenruderal, sonniger Gehölzrand, Beet, Balkon, sonnig–halbschattig, trocken–frisch, mässig nährstoffarm–nährstoffreich Partner: Grosser Ehrenpreis (Veronica teucrium), Mazedonische Witwenblume (Knautia macedonica), Affodill-Storchschnabel (Geranium asphodeloides)
Gewöhnlicher Natternkopf - Echium Vulgare
weiss Blütezeit: Mai–Juni Höhe: 60–80 cm zweijährig Standort: Trockenruderal, sonniger Gehölzrand, Beet, Balkon, sonnig– halbschattig, trocken–frisch, mässig nährstoffreich–nährstoffreich Partner: Prachtkerze (Oenothera indheimeri), Gewöhnlicher Dost (Origanum vulgare), Seidige Königskerze (Verbascum bombyciferum «Polarsommer»)
Agavenblättrige Mannstreu - Eryngium agavifolium
weiss Blütezeit: Juli–September Höhe: 60–120 cm mehrjährig Standort: Beet, Balkon, sonnig, trocken–frisch, mässig nährstoffreich–nährstoffreich Partner: Prärie-Igelkopf (Echinacea pallida), Hoher Goldbaldrian (Patrinia scabiosifolia), Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis)
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NATURZYT Ausgabe Dezember 2022, Text Sebastin Wagener, Fotos Sebastian Wagener, Noel Weiss