Wald-Veilchen zwischen Steinplatten eines Gehweges

Kahle Fugen sind out! Mit der richtigen Pflanzenwahl tragen begrünte Fugen und Randbereiche zwischen Platte und Rabatte zur Vernetzung der Lebensräume bei.

Diese Mikrohabitate bieten Insekten und Spinnen Schutz während der Wanderung und der täglichen Aktivitäten, werten einen Garten optisch auf und halten die Feuchtigkeit im Sommer. Vom sonnigen bis zum vollschattigen Standortfinden sich geeignete Pflanzen, welche zudem trittfest sind. Mühsames Jäten oder sogar Versiegeln der Ritzen unterbindet das Potenzial solcher Flächen. Fugen und Ritzen bieten zudem konkurrenzschwachen Pflanzen einen Lebensraum. Hierkönnen sie ungestört gedeihen und Bestände hervorbringen. Diese Kleinstlebensräume können summiert die Biodiversität in beträchtlichem Ausmass fördern.

Trittpflanzen - Pflanzen die Trittbelastungen standhalten

Trittpflanzengesellschaften trifft man häufig in Siedlungsnähe an. Durch ihre kleinwüchsige Gestalt, die bodennahe Verzweigung, elastisches und zugleich festes Gewebe halten sie Trittbelastungen und anderen Störfaktoren bestens stand. Sauerstoffarmut und Bodenverdichtung gehören zu den charakteristischen Standortmerkmalen. Extreme Bedingungen, jedoch können diese Arten aufgrund Konkurrenzarmut von raschwüchsigen Wildpflanzen, guter Lichtverhältnisse und oft vegetativer Vermehrung auch dort bestens gedeihen.

Zu den bekanntesten Vertretern dieser Gesellschaften gehören der Breit-Wegerich (Plantago major), Vogel-Knöterich (Polygonum aviculare), das Niederliegende Mastkraut (Sagina procumbens), die Strahlenlose Kamille (Matricaria discoidea), Schutt-Kresse (Lepidium ruderale) und das Gänse-Fingerkraut (Potentilla anserina). Auch höhere Arten wie die Gewöhnliche Schafgarbe (Achillea millefolium) oder der Löwenzahn (Taraxacum officinale) kann man in solchen Mikrohabitaten finden, jedoch vermehrt an Randbereichen.

«Trittpflanzen» sind keineswegs auf solche anthropogenen Lebensbereiche angewiesen. Da sie ähnliche Lebensbedingungen wie natürliche Standorte bieten, werden auch diese besiedelt. Am Naturstandort kommen sie üblicherweise als Pioniere daher, bewachsen offene Stellen und werden infolge der Sukzession von starkwüchsigen Arten verdrängt. In Pflasterfugen und dergleichen halten sie sich deutlich länger, sofern sie nicht dem Ordnungswahn zum Opfer fallen. Besonders im innerstädtischen Raum macht sich ihr Wert bemerkbar, hier begrünen diese strapazierfähigen Gesellen kleinste Ritzen und tragen zu einem besseren Stadtklima bei.

Bei der Auswahl geeigneter Pflanzen im Garten kann man natürlich noch auf weitere Arten mit ähnlichen Wuchseigenschaften zurückgreifen. Trittpflanzengesellschaften fungieren in der Gartenkultur eher als Vorbild, eines mit grossem Potenzial zur Nachahmung.

Steintreppe überwachsen mit verschiedenen Grünpflanzen
Eine Treppe als Lebensraum. Der Balkan- Storchschnabel (Geranium macrorrhizum) fühlt sich sichtlich wohl. (Foto Pxhere.com)

Fugenpflanzen die für jeden Standort

Wie schon erwähnt, sind einige Wildarten prädestiniert für derartige Lebensräume. Am Naturstandort findet man sie auf Felsfluren, in verschiedenen lückigen Rasentypen, auf Kiesbänken, Schutthalden, diversen Ruderalflächen und an Wegrändern. Sie sind meistens kleinwüchsig und kommen mit extremen Standortbedingungen wie auch Umwelteinflüssen zurecht. Ob in der schattigen und eher feuchten Mauerritze oder am sonnig exponierten Strassenrand, diese Pflanzen erobern selbst die kleinsten Nischen. Daher finden sich auch für jeden Standort im Garten die passenden Wildpflanzen für die Fugenbegrünung. Bei einer Treppe im schattigen Bereich eignen sich Mastkräuter (Sagina), Mauer- Zimbelkraut (Cymbalaria muralis) oder z.B Kriechender Günsel (Ajuga reptans), um Zwischenräume aufzuwerten. Für eine Begrünung am sonnigen und trockenen Standort empfehlen sich Mauerpfeffer- Arten (Sedum), Heide-Nelke (Dianthus deltoides) und diverse flach wachsende Thymiane (Thymus). Die Bodenbeschaffenheit ist nicht ausschlaggebend, da diese Arten robust und äusserst genügsam sind. Bei fachgerechter Bauweise von Gehwegen, Mauern wie auch Treppen ist die Wasserdurchlässigkeit durch den Anteil von mineralischen Baumaterialien bereits gegeben. Besonders für trockenheitsliebende Arten sind dies optimale Bedingungen.

Nebst den wilden kann man sich auch für Kulturformen und mediterrane Arten, welche noch besser an die unwirtlichen und trockenen Bedingungen angepasst sind, entscheiden. Die Zwergsorte vom Frühblühenden Thymian (Thymus praecox «Minor») passt wie angegossen zwischen die Platten, und dies kann man auch vom Braunroten Stachelnüsschen (Acaena microphylla «Kupferteppich») behaupten. Naturnah und Gartenkultur geht auch miteinander, hier ist einmal mehr die Pflanzenwahl essentiell. So erfreut sich der Betrachter und die Vielzahl an Gartenbewohnern obendrein.

Graue Setzsteine mit grünen Pflanzen in den Fugen
Ein wunderbares Relief aus Stein, Gräsern und Sämlingen der Weg-Malve (Malva neglecta). (Foto Pxhere.com)

Fugenpflanzen pflegen und fördern

Durch Ausbrechen oder Zurückschneiden der vergangenen Blütenstände direkt nach der Blüte, wie z.B. beim Kriechenden Günsel (Ajuga reptans), wird das vegetative Wachstum (Ausläuferbildung) unterstützt und sorgt zugleich für eine mögliche Nachblüte im Herbst. Auch beim Kleinen Habichtskraut (Pilosella officinarum) wirkt sich dieser Pflegeschritt positiv auf ein dichteres und rasanteres Wachstum aus. Die Selbstaussaat ist natürlich auch bei ausläuferbildenden Arten erwünscht, jedoch sollten die kriechenden Triebe bei der Pflege im Vordergrund stehen. Eine filigrane Erscheinung hingegen, wie die Steinbrech-Felsennelke (Petrorhagia saxifraga), lässt man absamen. Diese Art ist eher kurzlebig und besiedelt mit ihrer reichen Saat neue Stellen im Garten. Halbstrauchige Lippenblütler (Lamiaceae), speziell Thymiane, Gamander-Arten (Teucrium), aber auch an der Basis verholzende Ehrenpreise (Veronica) sollten im zeitigen Frühjahr stark zurückgeschnitten werden. Diese Massnahme fördert einen kompakteren Wuchs und beugt der Verkahlung am Grund vor.

Ob als Bodendecker im Vordergrund von grösseren Stauden oder im naturnahen Steingarten, die Verwendungsmöglichkeiten von Mauerpfeffer-Arten (Sedum) sind vielfältig. Mit ihren dickfleischigen (sukkulent) Laubblättern und dem kompakten Polsterwuchs fungieren sie als Bindeglied zwischen den Lebensräumen. Somit werden am Beetrand wachsende Arten mit kleinen Eingriffen gezielt in die Fugen dirigiert. Aufgrund der raschen Wurzelbildung können abgebrochene Triebstücke an beliebiger Stelle in den Boden gesteckt werden. Zu den bewährten Arten gehören Weisser Mauerpfeffer (Sedum album), Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre) und Milder Mauerpfeffer (Sedum sexangulare). Ein Rückschnitt oder aufwendiger Putz gegen Ende des Jahres ist kontraproduktiv. Das abgestorbene Pfanzenmaterial hält sich bei diesen Arten in Grenzen, sorgt für einen höheren Humusanteil, d.h., die zu besiedelnde Fläche wird vergrössert, frische Nährstoffe werden verfügbar und zudem sind die Pfanzen dadurch während des Winters vor Kahlfrost und Wintersonne geschützt.

Jäten von «unerwünschten» Neuankömmlingen hat bei einer gut durchdachten Bepflanzung Seltenheitswert. Den Fugen entrissene Wildpflanzen welche in den Weg ragen würden oder zu wüchsig sind, können eingetopft oder ins Beet verpflanzt werden.

Nebst der gezielten Bepflanzung sollte man der Natur freien Lauf lassen, so siedeln sich die unterschiedlichsten Wildpflanzen an und erscheinen am passendsten Ort. Ein gesundes Gleichgewicht zwischen Spontanvegetation und bewusster Bepflanzung bringt das beste Ergebnis.

Natursteinplatte welche von Kriechenden Günsel um wachsen sind
Die Betonplatte wird vom Kriechenden Günsel (Ajuga reptans) eng umgarnt. Eine Miniaturwelt ist entstanden. (Foto Sebastian Wagener)

Fugenpflanzen vernetzen den Garten und sind Nahrungsquelle

Im Garten sind Grünflächen und Beete üblicherweise durch Wege, Treppen und Plätze voneinander getrennt, aus diesem Grund sind begrünte Fugen und Randbereiche äusserst wichtig für die Vernetzung der verschiedenen Lebensräume. Zudem können Insekten und Spinnentiere während der Wanderung und täglichen Betriebsamkeit geschützt rasten. Natürlich wirken sich derartige mit Blütenpflanzen bedeckte Kleinstlebensräume auch auf das gesamte Futterangebot aus, eine Optimierung im wahrsten Sinne.

Die Grosse Wollbiene (Anthidium manicatum) freut sich über diverse Gamander-Arten (Teucrium) und Wegameisen errichten im Schutze des Gänsefingerkrauts (Potentilla anserina) ihren Staat. Mit seinem silbrig glänzenden Laubkommt das Gänsefingerkraut besonders in halbschattigen oder sonnigen Randbereichen gut zur Geltung. Der kriechende Günsel ist ein echter Hummelmagnet, und Spinnen nisten sich zwischen seinen Blütenständen ein, wo sie auf Beute lauern.

Besonders für die Schleicher unter den Tieren, wie Schnecken, Regenwürmer und Falterraupen, birgt ein kurzer Ausflug über offenes Gelände grosse Gefahren. Begrünte Fugen schützen vor Austrocknung, Fressfeinden und ermöglichen eine sichere Reise.

An feuchteren und eher schattigen Stellen ist das Pfennigkraut (Lysimachia nummularia) eine ökologische Bereicherung. Es gehört zu den Ölblumen, d.h., anstelle von Nektar bietet die Pflanze in ihren Blüten fette Öle, welche von diversen Insekten gesammelt werden. Die Schenkelbienen (Macropis) sind eng an Vertreter der Gattung Lysimachia gebunden, weibliche Tiere benötigen das Öl zur Brutnahrung und Auskleiden der Brutzellen. Als Nektarquelle nebenan empfiehlt sich der Sumpf-Storchschnabel (Geranium palustre).

Auch Amphibien und Reptilien finden unter Pflanzen in Mauerfugen und grösseren Zwischenräumen Schutz und Nahrung. Die Erdkröte (Bufo bufo) nutzt derartige Nischen als Tagesquartier, nachts macht sie Jagd auf Asseln, Käfer und Nacktschnecken. Eidechsen sonnen sich an exponierten Stellen und flüchten bei Gefahr in geschützte Hohlräume.

Begrünte Zwischenräume tragen unter jedem Aspekt zur ökologischen Aufwertung bei, ob als Nahrungsspender oder Lebensraum. Kleinstrukturen, welche mehr Aufmerksamkeit verdient haben.

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NATURZYT Ausgabe September 2019, Text Sebastian Wagener Fotos Sebastian Wagener, Dr. Wolfgang Stein (Universität Saarland), Foto Campanula cochleariifolia, Pxhere, Wikipedia

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