Aufwendiges Abhumusieren, Abmagern mit mineralischem Material, kombiniert mit der Einsaat von standortfremden Wildpflanzen, ist immer noch in Mode. Hauptsache «Blumenwiese» und egal wo!
Dieser teure Traum ist in den seltensten Fällen von nachhaltigem Erfolggekrönt. Es ist nicht nur die falsche Mahd, welche ein solches Projekt zum Scheitern verurteilt. Damit artenreiche Wiesenflächen aus dem Katalog langfristig auf hohem Niveau bestehen bleiben, benötigt es sehr gute Artenkenntnis, Geduld und Hingabe.
«Lasst den gewachsenen Mutterboden in Ruhe und nutzt das einzigartige Potenzial des Standortes!» Zuerst wird die vorhandene Floraunter die Lupe genommen, es werden Zeigerarten definiert, anhand deren man die Boden- und Lichtverhältnisse deuten kann, und man wählt davon aus gehend neue Arten, welche die Wiese bereichern können. Je nach vorherrschenden Bedingungen sind es unterschiedliche, welche infrage kommen. Zwölf Wildstauden mit einer hohen Anpassungsfähigkeit, die sich erfahrungsgemäss am besten für eine Initialpflanzung eignen, sind am Ende des Artikels porträtiert.
Auf der ganzen Wiese kreisförmige Initialinseln mit Wildblumen pflanzen
Für die Schaffung von sogenannten Initialinseln werden über die gesamte Wiese verstreut kreisförmige Flächen mit einem Durchmesser von 50–80 Zentimetern gestochen (siehe Foto). Es ist empfehlenswert, die Inseln tiefgründig zu lockern und Wurzelbeikräuter säuberlich zu entfernen. Bei der Anzahl Pflanzen pro Fläche machten wir mit 4–5 Stück die besten Erfahrungen. Solche Inseln dienen als Initialzündung für die gesamte Fläche. Durch Selbstaussaat wandern die Neuankömmlinge in die restliche Fläche und entwickeln mit der Zeit ein einheitliches und ökologisch wertvolles Gesamtkonzept und damit ein funktionierendes Ökosystem. Ganz ohne bauliche Eingriffe!
Für die künftige Blumenwiese braucht es in den ersten zwei Jahren ein paar Pflegedetails
Damit sich die Wiese zu einem Blütenmeer entwickeln kann, müssen bezüglich Pflege in den ersten zwei Jahren gewisse Details beachtet werden.
In unmittelbarer Nähe der Pflanzinseln sollten in den ersten beiden Jahren offene Bodenstellen vorhanden sein, dies fördert die Selbstaussaat. Mit einem starken Rechen wird die Grasnarbe aufgeraut und von Hand Löwenzahn, Stumpfblättriger Ampfer (Blacke) und Co. ausgestochen. Die kleinsten offenen Bodenstellen tragen zur Entwicklung bei, man stelle sich ein zusammenhängendes Mosaik vor. Im Radius der Inseln ist es zudem empfehlenswert die Mahd im ersten Jahr durchgehend tief zu halten, dies schafft maximale Lichtbedingungen für die Blütenpflanzen, unterdrückt starkwüchsige Generalisten und verringert das Risiko, dass sich Nacktschnecken einnisten. Offene Bereiche innerhalb der kreisförmigen Flächen werden selektiv gejätet. D.h., nur stehen lassen, was dem Projekt dienlich ist.
Die Initialinseln und artenreichere Teilbereiche, welche sich ausserhalb der Initialinseln befinden, erst ab Mitte März abräumen/mähen. Denn die Samenstände tragen reife Saat und die keimt meistens erst im Frühjahr.
Besonders im Herbst und Frühjahr ist es essenziell, die Fläche mehrmals abzulaufen und jeden Quadratmeter akribisch zu beäugen. Gefundene Sämlinge der Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis), Wilden Möhre (Daucus carota) und weiterer Arten, welche man fördern möchte, werden händisch von unliebsamen Nachbarn befreit. Die Fundstellen können für ein systematischeres Vorgehen mit Stäben markiert werden.
Nebst der Initialpflanzung vergrössert eine zusätzliche Einsaat mit geeigneten Arten die Erfolgschancen erheblich. Dies kann mehrmals und ganzjährig auf offenen Bodenstellen geschehen.
Magerböden sind aufgrund der Lebensraumzerstörung eine Seltenheit
Natürlich gewachsene oder über einen längeren Zeitraum durch extensive Beweidung geschaffene Magerböden mit einem wärmebegünstigten Klima sind im Mittelland eine Seltenheit. Nicht nur aufgrund der Lebensraumzerstörung und der Machenschaft en der intensiven Landwirtschaft . In erster Linie unterscheiden sich die geologischen und klimatischen Gegebenheiten markant. Eher schwere Lehmböden mit hohen Feuchtigkeits- und Nährstoffverhältnissen sind in mittelländischen Gärten und auf öffentlichen Grünflächen vorherrschend. Hier fühlen sich Kriechender Günsel (Ajuga reptans), Gundermann (Glechoma hederacea), WiesenSchaumkraut (Cardamine pratensis), GamanderEhrenpreis (Veronica chamaedrys), Löwenzähne (Taraxacum), PippauArten (Crepis), Hahnenfüsse (Ranunculus), Gänseblümchen (Bellis perennis) und z.B. Klee-Arten (Trifolium) wohl. Diese Arten besiedeln meistens auch intensiv gemähte Flächen.
Auf extensiv bewirtschafteten Fettwiesen wachsen oft Arten wie Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Wiesen-Witwenblume (Knautia arvensis), Wilder Dost (Origanum vulgare), Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium), Wiesen-Storchschnabel (Geranium pratense), Gewöhnlicher Hornklee (Lotus corniculatus) und Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea). Extensiv gepflegte, nährstoffreiche und zudem feuchte Wiesen beherbergen wiederum zusätzliche Arten. Oftmals sind auch von den oben genannten welche dabei. Bei diesen Pflanzengesellschaften steuern Gewöhnliches Mädesüss (Filipendula ulmaria), Blutweiderich (Lythrum salicaria), SumpfStorchschnabel (Geranium palustre), Kohl-Kratzdistel (Cirsium oleraceum), Zottiges Weidenröschen (Epilobium hirsutum) und Gewöhnlicher Baldrian (Valeriana o¬ cinalis) Charakter bei. Es handelt sich um eine Pflanzengesellschaft, die sich in vielen Fällen bis zum Krautsaum (Gehölzrand) erstreckt und dort auf weitere ökologisch wertvolle Arten trifft . Dies wären z.B. Wald-Witwenblume (Knautia dipsacifolia), Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa), Zaun-Wicke (Vicia sepium), Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum), Kerbel-Arten (Anthriscus), Nesselblättrige Glockenblume (Campanula trachelium) und Wasserdost (Eupatorium cannabinum).
Ein beträchtliches Spektrum an Arten, welches wir ohne grösseren Aufwand zu uns in den Garten holen können. Viele davon könnt ihr wahrscheinlich bereits bei euch entdecken.
Es spricht nichts gegen ein trocken ruderales Beet, das liebevoll bepflanzte Alpinum oder die bunte und luftige Steppenfläche. Solche Elemente sind ein Teil der Gartenkultur und finden an geeigneter Stelle ihren Platz.
Der Modetrend Magerbeet/Magerwiese darf nicht noch mehr zum Dogma werden! Vielmehr sollte man die Gegebenheiten und das Potenzial vor Ort nutzen.
Wie hoch ist der ökologische Wert von 500 Quadratmetern unnatürlich gebauter Magerfläche, wenn rundherum hektarweise nährstoffreiche Scherrasen, Feuchtwiesen und Krautsäume mit vielfältiger Fauna vorhanden sind?
Funktionierende Lebensräume in jeglicher Dimension müssen mit ihrer Umgebung vernetzt sein.
Wildstauden mit einer hohen Anpassungsfähigkeit
Acker-Witwenblume - (Knautia arvensis)
Blütezeit: Mai – August Blütenfarbe: hellviolett Höhe: 30–80 cm Ökologischer Wert: Die Blüten werden sehr gerne von Tagfaltern und Widderchen besucht; auch Wildbienen, u.a. die auf Witwenblumen und Skabiosen spezialisierte Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana), Bockkäfer und Schwebfliegen sind zu beobachten. Von den Blättern ernähren sich einige Falterarten, z.B. Goldener Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) und Skabiosenschwärmer (Hemaris tityus). Die Samen sind beliebt bei Stieglitz (Carduelis carduelis), Grünfink (Chloris chloris) und einigen anderen Körnerfressern.
Wiesen-Margerite - (Leucanthemum vulgare)
Blütezeit: Mai – August Blütenfarbe: weiss/gelb Höhe: 20–60 cm Ökologischer Wert: Die wohlbekannten Blüten werden von Schmetterlingen, Fliegen, Käfern, Wespen und mehreren, v.a. kleineren
Wildbienenarten besucht. Die Raupe des Hellgrauen Fleckleibbärs (Diaphora mendica) frisst von den Blättern.
Hornklee - (Lotus cornicultaus)
Blütezeit: Mai – August Blütenfarbe: gelb Höhe: 10–30 cm Ökologischer Wert: Sehr wichtige Wildbienenblume, über 50 Bienenarten konnten beim Blütenbesuch beobachtet werden. Auch als Raupenfutterpflanze von grossem Wert, mehrere Bläulings-und Widderchenarten ernähren sich vom Hornklee.
Wiesen-Flockenblume - (Centaurea jacea)
Blütezeit: Juni–September Blütenfarbe: violett Höhe: 20–80 cm Ökologischer Wert: Die Blüten werden von vielen Schmetterlings- und Wildbienenarten besucht, u.a. die auf Korbblütler spezialisierte Distel Mauerbiene (Osmia leaiana). Die Raupen mehrerer Falterarten ernähren sich von den Blättern, z.B. die Ampfer-Rindeneule (Acronicta rumicis). Die Samenstände werden gerne von Stieglitzen (Carduelis carduelis) geplündert.
Wilder Dost - (Origanum vulgare)
Blütezeit: Juli–September Blütenfarbe: rosa, violett Höhe: 20–60 cm Ökologischer Wert: Das Schmetterlingsmagnet schlechthin!Zahlreiche Falterarten verköstigen sich auf den Dostblüten. Auch Honigbienen sammeln hier gerne, während Wildbienenarten weniger häufig auftauchen. Die würzigen Blätter dienen den Raupen des Purpurbären (Rhyparia purpurata) als Nahrung.
Wiesen-Schafgarbe - (Achillea millefolium) Wildform roasa
Blütezeit: Juni – Oktober Blütenfarbe: weiss, manchmal rosa Höhe: 20–60 cm Ökologischer Wert: Die Blüten werden von vielen Wildbienen-, aber auch Fliegen- und Käferarten besucht. Die Blätter werden von einigen Falterarten als Raupenfutter genutzt, z.B. vom Herbstspinner (Lemonia dumi) und der Wolfsmilch-Rindeneule (Acronicta euphorbiae)
Moschus-Malve - (Malva moschata)
Blütezeit: Juni–September Blütenfarbe: rosa, manchmal weiss Höhe: 30–80 cm Ökologischer Wert: Hummeln (Bombus) besuchen gerne Malvenblüten, von den Blättern ernähren sich manche Falterarten, z.B. der Malvendickkopf (Carcharodes alceae). Feuerwanzen (Pyrrhocoris apterus) saugen Pflanzensaft an Stängeln und Früchten von Malven. Die Samen dienen Finkenvögeln als Nahrung.
Wiesen-Storchschnabel - (Geranium pratense)
Blütezeit: Juni–August Blütenfarbe: lila Höhe: 30–60cm Ökologischer Wert: Die Blüten werden v.a. von Honigbienen (Apis mellifera), Hummeln (Bombus) und einigen anderen Wildbienen besucht, z.B. von Schenkelbienen (Macropis), die zur Versorgung ihrer Brut auf Blütenöle von Gilbweiderich (Lysimachia) angewiesen sind, daneben aber gerne Storchschnabelblüten als Nektarquelle nutzen. Auch Wespen-, Fliegen- und Blattkäferarten lassen sich beim Blütenbesuch beobachten. Vom Laub ernähren sich die Raupen von Brombeerspinner (Macrothylacia rubi), Goldbrauner Hauhecheleule (Pyrrhia umbra) und Schönbär (Callimorpha dominula).
Saat-Esparsette - (Onobrychis viciifolia)
Blütezeit: Mai–Juli Blütenfarbe: rosa Höhe: 30–60cm Ökologischer Wert: Die attraktiven Blüten sind bei vielen Wildbienenarten sehr beliebt, u.a. bei der seltenen Mörtelbiene (Megachile parietina), der Grossen Harzbiene (Anthidium byssinum) und der Dreizahn-Stängelbiene (Osmia tridentata). Von den Blättern ernähren sich die Raupen einiger Falterarten, z.B. des Esparsettenwidderchens (Zygaena carniolica), des Brombeerzipfelfalters (Callophrys rubi) und des Ginster-Streckfusses (Dicallomera fascelina)
Tüpfel-Johanniskraut - (Hypericum perforatum)
Blütezeit: Juni–August Blütenfarbe: gelb Höhe: 20–80 cm Ökologischer Wert: Mehrere Bienenarten sammeln Johanniskraut- Pollen, auch Falter und Fliegen besuchen die Blüten. Von den Blättern ernähren sich Johanniskraut-Blattkäfer (Chrysolina hyperici) und die Raupen einiger Falterarten, wie z.B. die Johanniskrauteule (Actinotia poyodon) und der Grosse Johanniskrautgrauspanner (Aplocera praeformata).
Kleiner Wiesenkopf - (Sanguisorba minor)
Blütezeit: Mai–Juni Blütenfarbe: grün Höhe: 20–60 cm Ökologischer Wert: Insekten spielen bei der Bestäubung keine grosse Rolle, die Blüten werden v.a. durch den Wind bestäubt. An den Blättern kann man die Raupen einiger Falterarten finden, z.B. des Roten Würfel-Dickkopffalters (Spialia sertorius) und des Russischen Bären (Euplagia quadripunctaria).
Wilde Möhre - (Daucus carota)
Blütezeit: Juni–August Blütenfarbe: weiss, in der Mitte der Dolde meistens eine schwarzrote Einzelblüte Höhe: 30–100 cm ÖkologischerWert: Die Dolden sind wahre Insektenmagnete, zahlreiche Fliegen-, Käfer-, Wespen- und Bienenarten finden sich ein. Vom Kraut ernähren sich die Raupen des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon), während anden unreifen Samen Streifenwanzen (Graphosoma italicum) saugen. Die reifen Samen werden von Finken gefressen.
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NATURZYT Ausgabe Juni 2022, Text Daniel Pelagatti, Sebastian Wagener, Fotos Sebastian Wagener, Pixabay