Jährlich verunglücken unzählige Vögel. Sie verunfallen während ihres Zugs, der Jagd oder bei ihren ersten Flugversuchen als Jungvögel. Oft ist es der Mensch, der den Vögeln tödliche Hindernisse in den Weg stellt.
Die Greifvogelstation Berg am Irchel rettet jährlich an die 300 Greifvögel und Eulen. Oftmals werden die Tiere verletzt, geschwächt oder zu jung, um allein zu überleben, in die Station gebracht. Die genaue Betrachtung der Zahlen zeigt: Im Jahr 2019 waren rund 75% aller eingelieferten Vögel Unfallopfer. Die durchschnittliche Anzahl der verunfallten Vögel der letzten 60 Jahre liegt bei 45%. Typische Diagnosen nach einem Unfall sind: Traumata, Gehirnerschütterungen, offene Wunden, Flügel-, Schulteroder Beinbrüche sowie Augen- und Schnabelverletzungen. In vielen Fällen hat ein geretteter Vogel eine Chance auf Rehabilitierung und damit eine gute Aussicht auf ein weiteres Leben in Freiheit.
Der Mensch als Gefahr für die Greifvögel
Wieso fallen so viele Vögel menschengemachten Strukturen zum Opfer? Greifvögel und Eulen sind typische Vertreter von Wildtieren, die oft durch einen Zusammenprall mit Autos, Hochspannungsmästen, Zügen, Flugzeugen, Scheiben oder Windkraft anlagen ihren Tod finden oder schwer verletzt werden. Fest verbaute Scheiben, durch welche man die Landschaft sehen kann oder welche ebendiese spiegeln, werden zur tödlichen Gefahr. Bushäuschen sind ein gutes Beispiel dafür.
Besonders häufig gelangen Opfer von Autokollisionen in die Greifvogelstation Berg am Irchel. Entlang von Autostrassen und -bahnen sorgen reiche Pflanzenstrukturen, bewirtschaftete Felder und Waldränder für ideale Lebensräume für Kleinsäuger, Amphibien und Insekten. Das mutet den Greifvögeln als reich gedeckter Tisch an. Aasfresser erfreuen sich zudem an bereits verendeten Tieren auf und neben den Strassen. Je nach Terrain kann selbst das Überqueren der Strasse eine Herausforderung sein. Weniger, doch immer noch häufig genug, findet ein Greifvogel sein Unglück auch in Form von Masten von Stromleitungen und Glasfronten von Bürogebäuden. Jeder verunglückte Vogel kann bei einigen Greifvogelarten, wie etwa bei den Wanderfalken, Auswirkungen auf die lokale Brutpopulation haben und je nach Art die Population empfi ndlich schädigen.
Alle Vögel haben hohle Knochen. Das befähigt sie einerseits zu fliegen, anderseits sind dadurch die Knochen anfällig für Brüche. Sie halten dem oftmals mit hoher Geschwindigkeit erfolgenden Aufprall mit einem Hindernis nicht stand. Hinzu kommt, dass die Vögel häufig besonders die hohen Geschwindigkeiten nicht einschätzen können. Das führt zu falschen Flugbahn-Berechnungen, welche tödliche Folgen haben können.
Wie können wir den Greifvögel helfen? Was ändern?
Wir Menschen können viel dazu beitragen, das Leid der Greifvögel und Eulen zu mindern, indem Kollisionsfallen vermieden werden:
Fahren Sie im Strassenverkehr mit angemessener Geschwindigkeit und schalten Sie in der Dämmerung den Scheinwerfer ein. Vorsicht und Aufmerksamkeit im Strassenverkehr verhindern, dass Wildtiere zu Opfern werden.
Vermeiden Sie in und um ihr Haus durchsichtige Scheiben. Verbauen Sie an solchen Standorten eher Milchglas oder verwenden Sie strukturbringende Folien an. Einzelne Aufkleber hingegen verlocken die Vögel bloss dazu, das Hindernis zu umfliegen, wobei sie häufig die Scheibe trotzdem treffen.
Darüber hinaus müssen wir Menschen berücksichtigen, dass Objekte aller Art möglichst im Einklang mit der Natur errichtet werden sollen. So bietet es sich an, beim Aufstellen eines Windrades auf den Vogelzug zu achten und das Rad in topografisch günstigem Gelände aufzubauen oder für die Biodiversität wertvolle Hecken weiter weg von der viel befahrenen Schnellstrasse anzubringen. Ein solches Mitdenken hilft , dass Greifvögel und Eulen weniger in Gefahr kommen.
In jedem Fall gilt: Falls Sie einen verwundeten oder geschwächten Greifvogel finden, helfen Sie bitte!
Greifvogel gefunden! Was ist zu tun?
Greifvögel und Eulen, welche Opfer einer Kollision geworden sind, haben sehr oft nicht mehr die Fähigkeit zu fliegen. Sie hocken oder liegen auf dem Boden, unfähig, ihre Flügel einzusetzen. Nähern Sie sich dem Vogel langsam und behutsam und legen Sie ein Tuch oder ein Kleidungsstück, wenn möglich von hinten, über seinen Körper. Mit der Hand können Sie den Vogel nun so fassen, dass die Flügel vorsichtig bedeckt sind. Mit der anderen Hand greifen Sie, wenn möglich behandschuht, nach beiden Füssen. Mit diesem Griff können Sie den Vogel aufheben und vor sich hertragen. Der Kopf des Vogels schaut dabei nach vorn. Wenn das verunglückte Tier noch ausreichend bei Kräften ist, wird es unter Umständen versuchen, zu flattern, zu greifen oder zu beissen. Seien Sie vorsichtig. Nach einer Kollision werden diese Versuche jedoch kraft loser ausfallen und gut zu kontrollieren sein. Legen Sie das verletzte Tier danach in eine Karton- Box und bringen Sie es zum nächsten Tierarzt oder in die nächste Auffangstation wie die Greifvogelstation Berg am Irchel. Vermeiden Sie Transportboxen mit Metallgittern, denn da können sich die Kollisionsopfer leicht noch mehr verletzten. Falls Sie nicht in der Lage sind, den Vogel selbst zu einer entsprechenden Organisation zu bringen, rufen Sie einen für ihre Region zuständigen Tierrettungsdienst.
Greifvogelstation Berg am Irchel – eine wichtige Institution im Artenschutz
Veronika von Stockar gründete 1956 in ihrem eigenen Garten die Station. So begann eine 52 Jahre lange Tätigkeit, während der über 3000 Tiere gepflegt wurden. Im Laufe der Jahre gewann die Station schweizweit an Aufmerksamkeit. Die präzise Buchführung über die gefiederten Patienten liefert wertvolle Daten über einheimische Greife. Für ihre ausser gewöhnliche Leistung wurde Veronika von Stockar 2007 mit der Ehrendoktorwürde der Universität Zürich ausgezeichnet. 2008 übergab sie dann die Leitung der Stiftung PanEco, welche 1996 von Regina Frey, Veronika von Stockars Tochter, gegründet wurde. PanEco ist eine gemeinnützige und spendenfinanzierte Stiftung, die sich für Natur- und Artenschutz sowie Umweltbildung in der Schweiz und in Indonesien engagiert.
Heute leitet der Biologe und Ornithologe Andi Lischke die Station. Tatkräftig unterstützt wird er von einem stellvertretenden Leiter, einer Mitarbeiterin für Umweltbildung, einem Zivildienstleistenden undeinem kleinen Team von Freiwilligen.
Möchten Sie die wichtige Arbeit der Greifvogelstation Berg am Irchel direkt mit einer Spende oder einer Patenschaft unterstützen?
Spendenkonto: 8496678 / IBAN CH27 0900 0000 8400 9667 8
Greifvogelstation Berg am Irchel
Stiftung PanEco
Chileweg 5
8415 Berg am Irchel
T 052 318 14 27
info@greifvogel station.ch
www.greifvogelstation.ch
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NATURZYT Ausgabe Juni 2020, Text Nicole Bosshard Fotos PanEco, Adobe Stock