Der Aargauer Jura erhebt sich als grüner Rücken zwischen den Agglomerationen am Jurasüdrand, Basel und Zürich. Eine vielfältige Landschaft öffnet sich, die totz ihrer Nähe zu dichtbesiedelten Gebieten einzigartige Lebensräume bietet.
Im Jurapark Aargau entfaltet sich die Natur: Weitläufige Buchenwälder, lauschige Bäche, in welchen sich seltene Dohlen- und Steinkrebse tummeln, zahlreiche lichte Föhrenwälder mit graziösen Orchideen, artenreiche Trockenwiesen und von der Natur zurückeroberte Steinbrüche bieten wertvolle Lebensräume für Pflanzen und Tiere.
Lichte Föhrenwälder
In den lichten Föhrenwäldern, durch deren Lücken viel Sonnenlicht zum Boden dringt, gedeihen zahlreiche Orchideen und andere Pflanzenarten. Neben einem grossen Orchideenreichtum wachsen dort vor allem Gräser, insbesondere das Pfeifengras.
Auf dem Pfeifengras, das in lichten Föhrenwäldern wächst, entwickeln sich die Raupen des seltenen Gelbringfalters. Nördlich der Alpen ist dieser anspruchsvolle Schmetterling selten und nur lückenhaft verbreitet. Er meidet dichte Wälder ebenso wie offene, baumlose Wiesen und ist somit völlig auf die lichten Pfeifengras-Föhrenwälder angewiesen. Auch sonst ist der Gelbringfalter selten zu sehen: Die kleinen Naturjuwelen leben gerade einmal anderthalb Monate als Schmetterling.
Besonders wertvoll sind die lichten Föhrenwälder auch für kalkliebende Orchideenarten wie Hummel- und Wespenragwurz, deren Blüten Insekten nachahmen und sich von Bienenmännchen im Paarungsrausch bestäuben lassen. Eine der schönsten und bekanntesten Orchideen, der Frauenschuh, tritt ebenfalls hier auf.
Artenreiche Trockenwiesen als wichtige Naturwerte
Artenreiche Trockenwiesen sind wichtige Naturwerte im Jurapark Aargau. Auf den trockenen und mageren Böden können sich seltenere, konkurrenzschwache Pflanzen etablieren. Niedrige, lockerwüchsige Magerwiesen bieten vielen Kräutern und Gräsern sowie seltenen Orchideen einen Lebensraum, unter anderem Bocks-Riemenzungen, Spitzorchis und verschiedenen Ragwurzen sowie Nahrung für eine Vielzahl von Schmetterlingen, Heuschrecken und Wildbienen. Höherwüchsige Magerwiesen in der Nähe von Hecken und Waldrändern sind ebenfalls wertvoll: Neben Feldhasen und Füchsen beherbergen sie eine grosse Fülle von Grossinsekten, auf welche Fledermäuse und Neuntöter angewiesen sind.
Der Jurapark Aargau und der Glöggliforsch
In der Abenddämmerung kann zwischen Frühling und Spätsommer im Jurapark Aargau vielerorts ein flötender, glockenartiger Ruf gehört werden. Dieser stammt von den in Erdhöhlen und unter Steinen verborgenen Geburtshelferkröten, im Volksmund ihres Rufs wegen auch «Glögglifrösche» genannt.
Mit Unterstützung des Parks wurden zwischen 2009 und 2012 insgesamt 23 neue Laichgewässer angelegt und die umliegenden Landlebensräume aufgewertet. Die Schwerpunktgebiete liegen zwischen Herznach und Oberhof, Linn und Zeihen und in Wegenstetten. Zudem wurde die Strihengrube in Densbüren aufgewertet.
Besonnte, vegetationsarme Weiher bieten vielen seltenen Amphibien einen Lebensraum, so auch der Gelbbauchunke, der Kreuzkröte oder dem Grasfrosch. In den kargen, sandigen Uferzonen wachsen gefährdete Pionierpflanzen wie die Sicheldolde, das Kleine Tausendgüldenkraut oder der Acker-Wachtelweizen. Ebenso in Gruben heimisch sind die wärmeliebenden Blauflügelige Ödlandschrecke und die vom Aussterben bedrohte Blauflügelige Sandschrecke.
Achtung Pilz!
Ein invasiver Hautpilz verbreitet sich über die ganze Erdkugel und befällt nahezu alle Amphibienarten. Wer in denselben Gummistiefeln von Feuchtgebiet zu Feuchtgebiet stapft, kann den Pilz versehentlich mit sich herumschleppen. Deshalb: Gummistiefel nach jedem Ausflug an einen Teich oder Weiher vollständig trocknen lassen. Das tötet die Pilzsporen ab.
Jurapark Aargau und seine Hochstammbäume
Hochstammbäume, insbesondere Kirschbäume, prägen das Gesicht des Aargauer Juras. Im Gegensatz zu kurzlebigen Niederstämmen beherbergen die knorrigen Riesen ganze Ökosysteme mit einer grossen Artenvielfalt: Flechten, Moose, Insekten, Spinnen, Vögel und Fledermäuse leben auf und von den Obstbäumen oder der umgebenden Wiese. Zum Beispiel ist der Gartenrotschwanz, der einen Grossteil seiner Nahrung am Boden erbeutet, auf blumenreiche, lückig bewachsene Obstwiesen angewiesen, die ein gutes Nahrungsangebot für seine Beuteinsekten aufweisen. Die Grosse Hufeisennase (Fledermausart) ist ebenso auf insektenreiche Wiesen angewiesen.
Sie erbeutet vor allem Falter, Schnaken und Blatthornkäfer in einem Umkreis von 5 Kilometern um ihre Wochenstube, meist ein grosser Dachstock mit Stauhitze. In der Schweiz verbleiben nur noch drei Wochenstuben: eine im Wallis, eine in Graubünden und eine im Jurapark (Wegenstetten). Jeder alte Obstbaum ist ein eigenes kleines Ökosystem voller Flechten, Moose, Schnecken, Insekten und Spinnen. Dieser Mikrokosmos dient als Nahrungsgrundlage für Vögel wie Goldammer, Feldsperling und Grauschnäpper. In den Wiesen zwischen den Bäumen finden Finken, Amseln und Drosseln ein reichhaltiges Buffet von Samen und wirbellosen Tieren.
Natur auf Wanderungen im Jurapark Aargau
Der Park-Perimeter des Jurapark wird im Norden aus dem Tafeljura und im Süden aus den letzten Ausläufern des Kettenjuras gebildet. Treten im Tafeljura typische Tafelflächen, schroffe Felskanten, Gehängeschutt und Risse auf, finden sich im Kettenjura vermehrt Überschiebungen, Sackungen, Rutschungen und Dolinen. Die Zusammenhänge zwischen Landschaft und Geologie können vielerorts im Jurapark Aargau unmittelbar erlebt werden. In den Gesteinsschichten des Juras treten bemerkenswerte Versteinerungen aus der Zeit des Urmeers Tethys auf. In den Sedimenten des untiefen Meerwassers finden sich auch Schichten aus Eisenoolith, die nirgends in der Schweiz so dick sind wie im Jurapark. Der Abbau von Erz um die Dörfer Herznach und Wölflinswil hat eine lange Tradition und dementsprechend viele Stollen hinterlassen. Das ehemalige Bergwerk in Herznach beheimatet eine Ausstellung zur Bergwerksgeschichte, zur Geologie des Juras und seiner Fossilien.
Geo-Wanderweg Küttigen - Staffelegg
Seit der Trias-Zeit vor 245 Millionen Jahren haben Meeresüberflutungen, Gebirgsfaltungen und Erosion die Landschaft des Kettenjuras geprägt und immer wieder umgeformt. Auf dem Geo-Wanderweg Küttigen – Staffelegg können auf einer einfachen Wanderung und mit Hilfe von Informationstafeln die wichtigsten Stationen der Kettenjura- Entstehung und Wissenswertes über Gesteine und Fossilien erlebt und erfahren werden. Ein kleiner Rastplatz mit Grillgelegenheit beim Gips-Aufschluss «Stägelimatt» lädt zum Verweilen ein. Der Geo-Wanderweg Küttigen – Staffelegg startet bei der Bushaltestelle Küttigen, Giebel (Bus 135) und hat eine Länge von ca. 2,5 km.
Evolutionspfad von Zeinigen bis Zugen
Auf dem Evolutionspfad von Zeiningen bis Zuzgen erlebt man die Entstehungsgeschichte des Menschen hautnah. Der Pfad beginnt beim Hotel Eden im Park, Rheinfelden (Langroute ab Urknall, 14 km, ca. 4 Stunden) oder an der Postautostation Zeiningen Post (Kurzroute ab der Entstehung unseres Sonnensystems, 4,5 km, ca. 1,5 Stunden) und endet mit dem Auftreten des modernen Menschen im Nachbardorf Zuzgen.
Natur- und Kulturweg Linn
Auf dem Natur- und Kulturweg Linn, dessen Start- und Endpunkt die riesige Linner Linde ist, einer der ältesten Bäume im Aargau, werden auf insgesamt vierzehn informativen Tafeln das Ortsbild von Linn (Ort von nationaler Bedeutung) und die umliegende Natur und Landschaft präsentiert. Von Linn geht’s durch Obsthaine und offene Kulturlandschaften hinunter ins wilde Sagenmülital, wo im Sommer zwei Dutzend verschiedene Orchideenarten bestaunt werden können. Schliesslich führt der Weg über Felder und Wiesen wieder zurück zur Linde. Je nach Gangart werden für die 4 km Strecke zwischen 1 – 2 Stunden benötigt.
Waldlehrpfad Schupfart
Als kleiner Umweg auf dem Wanderweg von Schupfart nach Gipf-Oberfrick führt der Waldlehrpfad Schupfart über einen lauschigen Waldweg. Anhand von Infotafeln lernen Wissbegierige das Ökosystem des Waldes näher kennen. Zudem werden 34 Strauch- und Baumarten entlang des Weges beschrieben. Start und Ende ab Wanderweg Schupfart–Gipf-Oberfrick, 10 Min. ab Bushaltestelle Schupfart, Dorf. Die Weglänge ist ca. 1 km.
Fricktaler Chriesiwäg
Über fünfeinhalb Kilometer führt der «Fricktaler Chriesiwäg» durch die wunderschöne Landschaft des Fricktals, vermittelt Wissenswertes zum Kirschenanbau und zeigt unter anderem traditionelle, naturnah bewirtschaftete Hochstammbestände, die zahlreichen Tieren einen Lebensraum bieten – z.B. dem seltenen Gartenrotschwanz und der Zauneidechse. Während der Saison darf direkt von den markierten Bäumen genascht werden. Start und Ziel ist die Postautohaltestelle Gipf- Oberfrick, Brücke. Die familienfreundliche Wanderung dauert 2 Stunden (reine Wanderzeit). Auf halber Wegstrecke geniesst man einen einmaligen Ausblick übers Fricktal und eine Grillstelle (mit WC) lädt zum Verweilen ein.
Weitere Schweizer Naturregionen die spannend sind zu erkunden:
Der Genfersee ist Ausgangspunkt für zahlreiche Naturausflüge
Baselstadt oder Baselland - Naturerlebnisse am Rhein
Wandern im Berner Oberland - Auf den Spuren der Natur
NATURZYT Ausgabe September 2014, Text Michael Knaus, Fotos Jurapark Aargau