Bereits die Ärzte der Antike lobten Beifuss als Frauenheilmittel, um Unregelmässigkeiten bei der Menstruation zu regulieren, die Fruchtbarkeit zu stärken, die Geburt zu erleichtern und die Nachgeburt zu fördern.
Begegnung mit dem Beifuss in der Natur
Beifuss wächst in Europa, Asien und Nordamerika. Man findet ihn an Weg- und Feldrändern, auf Schutthalden und in der Ufervegetation. Der Beifuss bildet mit seinen stark verästelten Stängeln einen stattlichen, bis zu 1,50 Meter hohen Busch von wilder Schönheit. Die Stängel sind weich behaart und rötlich überlaufen. Die gefiederten Blätter sind oben dunkelgrün und unten weissfilzig. An den Stängelspitzen sitzen zahlreiche kleine, gelb oder rotbraun gefärbte Blüten. Die Pflanze schmeckt süsslich bis bitterwürzig.
Beifuss trägt den botanischen Namen Artemisia vulgaris und ist in der Familie der Korbblütengewächse (Asteraceae) zu Hause. Der Gattungsname Artemisia bezieht sich auf die griechische Göttin Artemis (Geburtshelferin). Der Beiname «vulgaris» bedeutet einfach. Beifuss ist ein Verwandter des Wermuts (Artemisia absinthium), der Eberraute (Artemisia abrotanum) und des Estragons (Artemisia dracunculus). Beifuss kann mit Wermut verwechselt werden. Die Blätter des Wermut sind beiderseits silbrig-weiss behaart, Blattstiel und Stängel sind nicht rötlich gefärbt. Wermut riecht stark aromatisch und schmeckt sehr bitter.
Beifuss im Garten und auf dem Balkon
Die Staude ist recht anspruchslos. Sie bevorzugt einen trockenen, sonnigen Platz im Garten und liebt kalkhaltige Erde, Sand und Kies. Sie können das Kraut selbst aussäen oder eine Jungpflanze beim Gärtner beziehen. Ausgesät wird von April bis Juni in Schalen. Beifuss ist ein Lichtkeimer, daher nur andrücken, nicht bedecken. Jungpflanzen im Abstand von 30 bis 40 Zentimeter setzen. Im nächsten Jahr wachsen rund um die Mutterpflanze kleine Beifusspflänzchen, da er sich leicht selber aussät. Ältere Pflanzen kann man durch Teilung des Wurzelstockes vermehren. Beifuss ist eine robuste Pflanze und braucht keinen Winterschutz. Er eignet sich auch als Balkonpflanze, da Beifuss gut in Töpfchen gedeiht. Werden die Zweige zu Blütebeginn (meist im Juni) abgeschnitten, so treibt die Pflanze wieder frisches Grün und verspricht bei viel Sonne und regelmässigem Giessen eine zweite Ernte.
Beifuss-Ernte und aufbewahren
Für die Hausapotheke werden die obersten Triebspitzen mit Blättern und Blütenknospen geerntet, im Halbschatten getrocknet und lichtgeschützt aufbewahrt. Je mehr die Blüte fortschreitet, desto stärker entwickeln sich die bitteren Anteile.
Geschichte und Mythologie des Beifuss
Beifuss wurde bereits in der Antike als «Mutter aller Pflanzen» hochgeschätzt. Bei Persern und Griechen war Beifuss der Göttin Artemis geweiht. Artemis wurde als grosse Muttergöttin verehrt, die bei Geburten um Hilfe angerufen wurde. Die alten Römer legten sich Beifussblätter in die Sandalen, um die Füsse vor Übermüdung zu schützen. Den Kelten galt es als magisches Kraut, sie gürteten sich damit für den Tanz der Sommersonnenwende. Am Ende des Festes warf man den Sonnwendgürtel ins Feuer und mit ihm alles Schlechte, was man loswerden wollte. Alte Namen des Beifusses wie Sonnwendkraut oder Johannisgürtel verweisen auf diesen uralten Brauch. Andere Volksnamen sind Wilder Wermut, Schosswurz, Jungfrauenkraut oder Mugwurz (vom Keltischen = wärmen, kräftigen), Machtwurz. Beifuss ist auch Bestandteil des Kräuterbüschel, das an Mariä Himmelfahrt der Maria zur Segnung dargebracht wird.
Was sagen die alten Kräuterkundigen über den Beifuss?
Bereits die Ärzte der Antike wie Hippokrates, Dioskurides und Galenos lobten Beifuss als Frauenheilmittel. Es wurde verwendet, um Unregelmässigkeiten bei der Menstruation zu regulieren, die Fruchtbarkeit zu stärken, die Geburt zu erleichtern und die Nachgeburt zu fördern. Hildegard von Bingen (11. Jh.) pries den Beifuss als Heilmittel gegen Magenverstimmungen: «Der Beifuss ist sehr warm und sein Saft ist sehr nützlich, und wenn er gekocht wird und in Mus gegessen wird, heilt er kranke Eingeweide und erwärmt den kranken Magen …». Die Ärzte Hufeland und Rademacher setzten Beifuss im 19. Jh. zur Behandlung der Epilepsie ein. In neuerer Zeit gibt es dazu Berichte von Dr. Schulz und Dr. Bohn.
Beifuss mächtiges Frauenheilkraut
Beifuss fördert die Menstruationsblutung und hilft bei ausbleibender oder zu schwacher Menstruation. Gleichzeitig wirkt er krampflösend und wird bei schmerzhafter Periode eingesetzt. Hilfreich ist Beifuss auch bei allen Erkrankungen der Unterleibsorgane, die durch Einwirkung von Kälte entstanden sind. Hier wird der Tee innerlich getrunken und äusserlich als Fussbad angewendet. Uralt ist der Gebrauch des Beifuss-Kissens für einen gesunden Schlaf.
Moxakraut in der chinesischen Medizin (TCM)
Beifuss ist in der Chinesischen Medizin eine hochgeschätzte Heilpflanze. Seine thermische Qualität ist warm und trocken, er hat die Kraft zu erwärmen. Das getrocknete Kraut wird zu Stangen (Moxazigarren) gepresst, die über Akupunkturpunkte gesetzt und angezündet werden. Die Hitze dringt tief in den Körper ein, breitet sich über die Meridiane aus und wirkt entkrampfend und entspannend. Kälte und Feuchtigkeit werden ausgetrieben, die Bewegung von Qi (Energie) reguliert. Das hilft bei Kopfschmerzen, Krämpfen in der Magengegend und Kreuzschmerzen.
Der einjährige Beifuss (Artemisia annua) wurde in China als 2000 Jahre altes Heilmittel zur Behandlung von Malaria wiederentdeckt.
Beifuss in der Homöopathie
Die Urtinktur wird aus der frischen Wurzel hergestellt. Artemisia eignet sich besonders bei epileptischen Krampfanfällen, ausgelöst durch Schreck oder andere heftige Erregungen. Des Weiteren wird er eingesetzt bei Schlafwandeln, Katalepsie (Verharren in starrer Körperhaltung) und Hysterie.
Anwendungseinschränkungen
Beifuss darf nicht in der Schwangerschaft und Stillzeit angewendet werden. Allergiker sollten Beifuss nur mit Vorsicht einsetzen.
Räuchern mit Beifuss
Artemisia ist eine alte Schutz-, Heil- und Zauberpflanze und hat eine lange Räuchertradition. Er wird gebraucht bei Schutz- und Reinigungsräucherungen. Zur Winter- und Sommersonnenwende sowie während der Raunächte ist eine Beifuss-Räucherung unverzichtbar. Der bittersüsse, würzige Duft wirkt wärmend, entspannend und beruhigend auf die Nerven.
Beifuss in der Kräuterküche
Als beliebtes Küchengewürz fehlte Beifuss früher bei keinem fetten Gericht. Traditionell gehörte es insbesondere zum Gänsebraten. Beifuss hilft dem Magen, das schwere und fettige Essen besser zu verdauen. Er wird frisch oder getrocknet verwendet. Die ganz jungen Triebe und Blätter sind wenig bitter und eignen sich als frische Zutat für Salate. Getrocknet als Würze auch für Kartoffelsuppe, Kohlgerichte, Fleisch und Pilze. Tipp: Aus getrocknetem Beifuss, Rosmarin und Thymian lässt sich ein herrliches Kräutergewürz herstellen, insbesondere für fette Speisen.
Beifuss in der Kräuterapotheke
Beifuss-Tee
1 TL geschnittenes Beifusskraut mit ¼ l kochendem Wasser übergiessen, max. 5 Minuten ziehen lassen. Beifusstee schmeckt bitter, nicht süssen! Bis zu 3 x täglich 1 Tasse trinken. Kein Dauer gebrauch! In der Volksmedizin wurde Beifusstee bei starken Magen-Darm- Störungen mit Koliken, Durchfällen, Leber- und Gallenbeschwerden angewendet. Ausserdem bei nervös bedingten Beschwerden, da er beruhigend auf das Nervensystem wirkt. Äusserlich kann Beifusstee als wärmendes Fussbad eingesetzt werden.
Beifuss als natürliche Mottenabwehr
Beifuss vertreibt Motten, daher wurden früher Beifusszweige in Schränke und Truhen gelegt. Einzeln oder gemischt mit einem anderen Kraut wie Lavendel, Waldmeister, Honigklee, Minze lassen sich duftende Kräuterkissen kreieren, die Motten abwehren und gleichzeitig der Wäsche einen frischen Duft verleihen.
Beifuss-Räuchermischung zur Raumklärung
Die Atmosphäre in Räumen mit Räucherungen zu klären und reinigen, wird seit Jahrtausenden durchgeführt. Eine bedrückende, dumpfe Atmosphäre lässt sich durch Räuchern in behagliche Wohlfühlenergie verwandeln. Kräuter wie Beifuss, Wacholder, Salbei (aus dem Garten), Engelwurz und Fichtenharz sind besonders geeignet. Wacholder und Salbei sind stark reinigend, Wacholder zusätzlich desinfizierend. Fichtenharz führt alte Wunden zum Heilen. Engelwurz wirkt schützend und lichtbringend. Und so geht’s: In eine Räucherschale Sand geben, Räucherkohle darauflegen, diese entzünden. Ist die Räucherkohle gut durchgeglüht, legen Sie die Räuchermischung darauf und beginnen mit dem Räucherritual. Nach dem Räuchern gut lüften. Diese Räucherung kann auch bei Wohnungswechsel durchgeführt werden.
Quellen und weiterführende Literatur:
- Fischer-Rizzi, S., Medizin der Erde. Kauderer, R., Handbuch der heimischen Räucherpflanzen.
- Madejsky M., Lexikon der Frauenkräuter.
- Tornieporth, G., Der Hildegard-Garten.
- Vornarburg, B., Homöotanik, Bd. 2.
Die Anwendung der angeführten Rezepturen erfolgt auf eigene Verantwortung und ersetzt keinen Arztbesuch. Eine Haftung der Verfasserin bzw. der Redaktion ist ausgeschlossen.
Kräuterkurse und Kräuterrundgänge mit Ernestine
Ernestine Astecker ist kant. appr. Naturheilpraktikerin und arbeitet in eigener Gesundheitspraxis in Fruthwilen, im Thurgau. In Kräuterkursen und auf Kräuterspaziergängen gibt sie gerne ihre Begeisterung, ihr Wissen und ihre Erfahrung über Heilpflanzen weiter.
Nähere Informationen zum Kursangebot unter www.eastecker.ch oder Telefon 043 322 86 70.
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