Liebe garten- und naturbegeisterte Leserinnen und Leser, "Kraut" ist schon seit Jahrhunderten die Bezeichnung für eine Pflanze, die dem Menschen nützt. Ein Un-kraut hingegen weist auf dessen Nutzlosigkeit hin. Doch ist das wirklich so?
Verdient eine Pflanze, ob nützlich oder nutzlos, überhaupt eine solch wertende Bezeichnung? Dieser Beitrag ist all denjenigen Pflanzen gewidmet, die gemeinhin als Unkraut bezeichnet werden, und soll helfen, ihnen mit mehr Toleranz zu begegnen.
Die Natur kennt kein «Un»Kraut
Das Wort «Unkraut» ist vom Menschen erschaffen und kommt so in der Natur nicht vor. Es weist nicht nur auf seine vermeintliche Nutzlosigkeit hin, sondern auch auf seine Unerwünschtheit. Denn die ist überall dort, wo wir Menschen bestimmen, was wachsen soll, also in Gemüsegärten, auf Beeten und Äckern sowie Sitzplätzen und Wegen. Meist gehören da eben die Unkräuter nicht dazu. Doch diese Sichtweise ist sehr einseitig und rückt diese Pflanzen in ein unschönes Licht. Wer sich wie ich über dieses Unwort stört, dem stehen zum Glück alternative, weniger wertende Ausdrücke zur Auswahl, deren Sinn dennoch mehr oder weniger gleichbedeutend ist: Beikraut, Wildkraut, Begleitflora.
«Un»Kraut im Garten
Ich plädiere grundsätzlich für einen gelassenen Umgang mit diesen Pflanzen. Es macht keinen Sinn, sie an allen Orten im Garten ausrotten zu wollen, kommen doch stets wieder neue dazu. Höchstens da, wo sie unsere Kulturpflanzen bedrängen, kann man sie gezielt entfernen. «Un»kräuter haben, neben einigen Nachteilen, sehr viele Vorteile. Da einige dieser Kräuter bereits früh im Jahr blühen, sind sie wertvolle Pollen- und Nektarlieferanten für viele Insekten. Das kann man von vielen exotischen Pflanzen nicht behaupten, auch wenn diese vielleicht auf den ersten Blick schöner aussehen. Die grosse Brennnessel zum Beispiel ist eine der wertvollsten Wildstauden, denn von ihr profitieren rund 150 Tierarten. Nur eine Art, der Mensch, stört sich an dieser Pflanze, für viele andere ist sie (über)lebenswichtig. «Un»kräuter kann man, mit ein paar Ausnahmen wie Giersch, Quecke, Scharbockskraut, gut im Zaun halten, wenn sie regelmässig dezimiert oder nach dem Blühen rechtzeitig, also vor dem Versamen, abgeschnitten werden. Oft sind diese Pflanzen einjährig, das heisst, sie sterben im Herbst ab und treiben im nächsten Jahr nicht wieder aus.
«Un»Kräuter lenken Schädlinge ab
«Un»kräuter wachsen oft flächig und verringern durch diese Bodenbedeckung Bodenerosion und Nährstoffauswaschung. Selbstverständlich kann man den Boden auch mit anderen einheimischen Wildpflanzen bedecken, es muss ja nicht gleich der kriechende Hahnenfuss sein. «Un»kräuter fördern auch das Auftreten von Nützlingen oder lenken, gerade im Gemüsegarten oder auf Ackerflächen, sogenannte Schädlinge von unseren Kulturpflanzen ab.
«Un»Kräuter als Wegweiser
Viele «Un»kräuter sind sogenannte Zeigerpflanzen, das heisst, sie geben Hinweise auf die Beschaffenheit des Bodens, auf dem sie wachsen. So ist zum Beispiel das hübsche Gänseblümchen eine Zeigerpflanze für mittelfeuchte und mässig bis gut stickstoffreiche Böden. Oder der Klatschmohn zeigt uns mässig bis warme Standorte auf mittelfeuchten Böden an. Der Klatschmohn wächst niemals auf stark sauren Böden. Vom Mohn abhängig ist sogar eine Wild bienen art, die Mohn-Mauerbiene. Sie benötigt die Blütenblätter, von denen sie ein Stück abbeisst, zum Auskleiden ihrer Brutzellen, die sie im Boden zuvor angelegt hat. Die grosse Brennnessel, eine der beliebtesten Schmetterlingspflanzen, zeigt uns mittelfeuchte bis feuchte und meist übermässig stickstoffreiche Böden an.
Herzlich
Claudia Ebling
www.natur-im-garten.ch
Tipps zur sinnvollen «Un»kraut-Bekämpfung
Wer nun aber trotz all dieser Vorteile noch immer keinen Sinn hat für die Schönheiten der «Un»krautBlüten hat, dem gebe ich hier einige Tipps zur Bekämpfung:
Jäten:
Das A und O im naturnahen Garten, grosse Erfolgsquote und ausgesprochen meditativ. Am besten geht Jäten nach Regen, wenn der Boden aufgeweicht ist, von Hand oder mit einem «Un»Krautstecher.
Mulchen:
Die meisten Kräuter sind Lichtkeimer und haben Mühe, unter einer dicken Mulchschicht zu keimen. Ganz ohne Jäten geht es aber auch hier nicht.
Essen:
Ja, Sie lesen richtig. Viele «Un»kräuter kann man essen, es gibt inzwischen viele gute Bücher zum Thema «Wildkräuterküche». Das trägt ebenfalls zur Dezimierung bei.
Hacken:
Im Gemüsegarten lohnt es sich, mit einer Blatthacke die obere Bodenschicht zu hacken. Dabei werden die «Un»kräuter aus dem Boden gerissen. Vor allem an sonnigen Tagen kann man sie liegen lassen, sie verdorren schnell. Dies gilt aber nur, wenn die Pflanzen noch keine Samenreife erlangt haben.
Pflanzengülle:
Viele Kräuter ergeben eine wunderbare, stinkende Pflanzengülle als Stärkemittel für andere Pflanzen oder als biologisches Mittel zum Beispiel zur Bekämpfung von Blattläusen.
Kompostieren:
Gejätete «Un»kräuter kann man selbst verständlich kompostieren, wenn man zwei Dinge beachtet: Keine Samen in den Kompost geben und keine Kräuter, die sich über Wurzeln vermehren (Quecken, Wicken usw.).
Wildpflanzen-Ecke anlegen
Tolerieren Sie doch in Ihrem Garten eine wilde Ecke, in der solche Pflanzen erwünscht sind und wachsen dürfen. Wählen Sie dabei die für Insekten wertvolleren Nahrungspflanzen aus und bevorzugen Sie diese. Es gibt so viele schöne «Un»kräuter, da muss man wirklich nicht die problematisch sten wachsen lassen.
Abflammen
Mit offener Flamme oder mit Infrarot. Diese Methode geht auf gar keinen Fall, wenn bodennistende Wildbienen zwischen den Pflanzen ihre Brutgänge angelegt haben.
Verzichten Sie auf Gift
Pflanzengifte sind meist schädlich für die Umwelt und gehören nicht in einen naturnahen Garten.
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NATURZYT Ausgabe September 2015, Text / Fotos Claudia Ebling