Illustration einer Raupe Brauner Bär auf einer Blüte

Wir sind nicht die einzigen Lebewesen auf diesem Planeten, doch wir sehen die Dinge immer nur aus unserer Sicht. Wie aber wäre es, wenn wir hören könnten, was unsere 4-, 8- oder 111-beinigen Mitbewohner dieser Erde uns zu sagen haben? Was würden sie wohl über uns Menschen denken, und wie würden sie ihr Zusammenleben mit uns empfinden?

Eine spannende Idee – sähen wir das ganze einmal aus ihrer Sicht und erführen, was sie uns alles zu sagen hätten. Naturzyt hat sich deshalb entschlossen, neue Wege auszuprobieren und sich darüber Gedanken zu machen, was wäre, wenn sie wie wir sprächen und wir sie einfach fragen könnten.

Sie verbringen Ihr Leben meist unentdeckt, verborgen im Dunkel der Nacht. Nur ihre Kinder in ihren pelzigen Kleidern fallen ab und an guten Beobachtern ins Auge. Lichtquellen ziehen sie des Nachts an und geben uns kleine Chancen, diese wundervollen und tagsüber so gut getarnten Wesen zu beobachten. Sie leisten uns mit ihrer Arbeit einen unschätzbaren Dienst. Die Rede ist von unseren wunder- und geheimnisvollen Nachtfaltern.

Als ich bei einem Kurzbesuch mit meiner Freundin an einem hübschen See spazieren ging, sprang mir plötzlich diese wunderschöne, haarige Raupe ins Auge, und ich musste einfach innehalten und sie fotografieren. Was würde wohl für ein Schmetterling aus ihr werden? Das musste ich unbedingt herausfinden, weshalb sich ein Interview mit diesem hübschen Gesellen geradezu anbot.

MEIN GOTT, BIST DU ABER EINE HÜBSCHE RAUPE. AUS DIR WIRD SICHERLICH AUCH MAL EIN GANZ SCHÖNER SCHMETTERLING. HÄTTEST DU ZEIT UND LUST, MIT MIR EIN INTERVIEW ZU FÜHREN?
Hallo meine Dame, was ist denn ein Interview? Kann man das auch essen?

NEIN, ESSEN KANN MAN DAS NICHT. ABER WENN DU MIR EIN BISSCHEN WAS VON DIR ERZÄHLEN WÜRDEST, DANN KÖNNTEN UNSERE LESER SICH EIN BILD VON EUCH UND EUREN BEDÜRFNISSEN MACHEN.
Aha, und was sind denn Leser?

ENTSCHULDIGE. ALSO ICH BIN GINI VOM NATURZYT MAGAZIN, UND ICH MACHE INTERVIEWS – ALSO GESPRÄCHE MIT VERSCHIEDENEN PERSÖNLICHKEITEN UND SCHREIBE DANN EINEN ARTIKEL DARÜBER. SO BRINGE ICH DEN MENSCHEN DIE NATUR UND IHRE DARIN LEBENDEN WESEN NÄHER UND SCHAFFE EIN BESSERES VERSTÄNDNIS FÜR ALLE ARTEN. DAS HOFFE ICH ZUMINDEST.
Ach so, jetzt verstehe ich, was du meinst. Also ich bin Bruno Brauner Bär, freut mich, dich kennen zu lernen. Was soll ich dir denn erzählen?

OH, FREUT MICH SEHR, BRUNO. BRAUNER BÄR, DAS TÖNT SEHR SPANNEND. WAS FÜR EINE ART RAUPE BZW. SCHMETTERLING BIST DU DENN?
Ich bin ein Brauner Bär, wie mein Name ja andeutet. Braune Bären gehören zur Unterfamilie der Bärenspinner. Ich werde also mal ein Nachtfalter werden. Und ein ausgenommen hübscher noch dazu.

EIN NACHTFALTER ALSO. DANN WERDEN DICH ABER KAUM SEHR VIELE MENSCHEN ZU GESICHT BEKOMMEN, DA DU JA DANN NACHTAKTIV BIST. DU BIST ABER AUCH EINE ZIEMLICH SCHÖNE RAUPE MIT DEINEN LANGEN HAAREN. WESHALB NENNT MAN EUCH EIGENTLICH BÄR?
Das liegt wohl an unserem dichten braunschwarzen Pelz und an unseren tapsigen Bewegungen, die an einen Bären erinnern.

JA, DAS TÖNT FÜR MICH LOGISCH. ERZÄHL MIR DOCH WAS ÜBER EUCH. WOVON LEBT IHR? WO LEBT IHR UND WIE LANGE LEBT IHR?
Das mach ich gerne. Also ich bin aus einem Ei geschlüpft im letzten Spätsommer. Ich habe mich dann auf den Weg gemacht, um Essbares für mich zu suchen, wie alle meine Brüder und Schwestern auch. Wir ernähren uns von vielen verschiedenen Pflanzen wie z.B. verschiedenen Ampfer-Arten, Löwenzahn, Brennnesseln und Mädesüss. Auch Himbeeren, Brombeeren und Weiden, Eichen und Eschen mag ich. Die Lupine schmeckt mir nebenbei auch ganz ausgezeichnet. Für uns ist ökologische Vielfalt sehr wichtig. Wir leben gerne in strukturreichen, feuchten und kühlen Habitaten. Wie etwa an Waldwegen und Schneisen, Binnen- und Aussensäumen, Lichtungen und Kahlschlägen und feuchten Waldwiesen.

Aber auch gebüschreiches Offenland, Moore, Dämme, Ufer, Böschungen, Kiesgruben und naturnahe Gärten mögen wir. Wir leben aber nur eine Generation im Jahr lang. Das heisst, nachdem ich mich nun schon mehrfach gehäutet habe, das muss ich, weil ich ja ständig wachse, wenn ich esse, werde ich mich dann so gegen Ende Juni an einem Ort am Boden verpuppen und ca. im Juli und August als Nachtfalter durch das Dunkel fliegen, um nach einer Partnerin Ausschau zu halten.

WOVON ERNÄHRT IHR EUCH DENN ALS SCHMETTERLINGE? UND SEID IHRE EHER KLEIN ODER GEHÖRT IHR ZU DEN GRÖSSEREN ARTEN?
Wir nehmen als Nachtfalter keine Nahrung mehr zu uns, da unsere Saugrüssel zurückgebildet sind und wir so keinen Nektar saugen können. Wir leben lediglich, um uns zu verpaaren und damit unsere Damen ihre ca. 500 perlweissen Eier auf der Unterseite von Blättern an grösseren ein lagigen sogenannten Eispiegeln ablegen. Als Raupe überwintern wir in zirka der Hälfte unserer Zyklen. Wir werden bis zu 6 Zentimeter lang, bevor wir uns in einem dichten Gespinst verpuppen. Als Nachtfalter können wir eine Flügelspannweite von ca. 6,5 Zentimeter erreichen. Wir gehören also schon zu den grösseren Arten.

ALSO ALS RAUPE HABE ICH DICH NUN GESEHEN MIT DEINEM SCHÖNEN SCHWARZBRAUNEN PELZ, DAZU HABEN ICH EINE FRAGE. ES GIBT JA RAUPEN, WELCHE FÜR UNS MENSCHEN GEFÄHRLICH SEIN KÖNNEN, WEIL SIE BRENNHAARE HABEN, WELCHE AKUTEN ALLERGIEN AUSLÖSEN KÖNNEN. IST DAS BEI DEINEN HAAREN AUCH SO?
Naja, also ich würde niemandem empfehlen, eine behaarte Raupe mit der blossen Hand anzufassen. Wir sind sicherlich nicht alle so gefährlich wie der Eichenprozessionsspinner, welcher regelrechte Asthmaanfälle und anaphylaktische Schocks auslösen kann. Aber wenn ihr uns anfasst und ein paar unserer Haare dabei abbrechen, kann das schon auch eine Allergie auslösen, da wir ein Gift in uns tragen. Am besten, ihr lasst uns einfach unserer Wege ziehen, wenn ihr uns überhaupt seht.

WAS, WENN IHR EUCH MITTEN AUF EINER GETEERTEN STRASSE BEFINDET UND WIR EUCH GERNE AN EINEN SICHEREREN ORT VERSETZEN MÖCHTEN, WEIL IHR SONST GEFAHR LAUFT, ÜBERFAHREN ODER VON EINEM HUNGRIGEN VOGEL ERWISCHT ZU WERDEN?
Dass ihr euch sorgt, ist aber voll lieb. Danke. Dann nehmt doch ein Taschentuch oder ein Blatt, auf das ihr uns vorsichtig schieben könnt. Dann könnt ihr uns gefahrlos umsetzen. Nur bitte nachher die Nase nicht mehr mit dem Taschentuch putzen. Angst müsst ihr aber vor uns sicher nicht haben, nur Respekt.

Schmetterling des Brauner Bär in weiss, rot, schwarz auf einer Pflanze
Im Gespräch mit NATURZYT
Bruno Brauner Bär, angehender Nachtfalter. Liebt als Raupe Sauerampfer und als Nachtfalter das Fliegen durch helle Mondnächte.

DAS IST EINE GUTE IDEE. DANKE, UND RES PEKTIEREN SOLLTE MAN SCHLIESSLICH JA JEDES LEBEWESEN, NICHT WAHR. KANNST DU MIR SAGEN WIE IHR DENN ALS NACHT FALTER AUSSEHT?
Oh, wir sind auch als Nachtfalter sehr gutaussehend. Wir haben braune Deckflügel, welche mit einem Weissen Netz überzogen sind, und weisse Fühler. Das tarnt uns während des Tages, wenn wir auf Stämmen oder in Gehölzen auf die Nacht warten. Dazu haben wir kräftige, braun-orange behaarte Körper und orange gefärbte Unterflügel mit schwarz umrandeten blauen Punkten, welche wir aber nur bei Gefahr zeigen. Das soll unsere Fressfeinde wie z.B. Meisen verwirren und ihnen zeigen, dass wir giftig und somit nicht geniessbar sind. Die Taktik geht meistens auf, und wir können fliehen.

DAS IST ABER EINE SEHR CLEVERE STRATEGIE.
Hast du noch mehr Fragen?

EINE WICHTIGE HABE ICH NOCH. MAN HÖRT, DASS VIELE NACHTFALTER PROBLEME MIT UNSERER ZUNEHMENDEN NÄCHTLICHEN LICHTVERSCHMUTZUNG HABEN. WIE IST DAS BEI EUCH?
Das ist tatsächlich ein sehr grosses Problem auch für uns. Deswegen sind wir immer mehr am Verschwinden. Nicht nur, dass eure intensive Landwirtschaft und die steigenden Einsätze von Pestiziden uns zu schaffen machen, nun verwirren uns auch eure grellblauen Lichtquellen von Strassenlaternen und Industriebeleuchtungen. Da wir uns sehr gut am Mondlicht orientieren, locken diese Lichter uns an und lassen uns unermüdlich um sie herumfliegen, was uns einerseits zur leichten Beute für Fledermäuse macht und uns andererseits so sehr erschöpft , dass wir kaum noch Energie zur Vermehrung haben. Das Ganze hat uns bereits auf die Liste der gefährdeten Arten gebracht.

DAS IST ALLERDINGS EIN SEHR GROSSES PROBLEM. GIBT ES DENN IRGENDETWAS, WAS WIR FÜR EUCH TUN KÖNNTEN, UM EUCH ZU HELFEN? WAS WÜRDEST DU DIR VON UNS WÜNSCHEN?
Ich fände es grossartig, wenn ihr weniger Lampen aufstellt. Oder benutzt wenigstens gelbes Licht, wie das der LED-Lampen, das zieht uns nicht an. Lasst eine Ecke im eurem Garten verwildern, so eine Ecke mit Totholz und wuchernden Brennnesseln zum Beispiel. Schneidet eure Staudenbeete erst im Frühjahr zurück. Das gibt uns lange natürliche Rückzugsmöglichkeiten. Pflanzt eure Gärten und Beete vielfältiger an. Vielleicht mit etwas Wiesen-Sauerampfer, oder Mädesüss-Büsche wie Schneeball, Sal-Weide oder Himbeere kommen unseren Bedürfnissen auch entgegen. Das wäre mein Wunsch an euch. Verwildert etwas, das tut euch und uns gut.

DAS WERDE ICH UNSEREN LESERN GERNE MITTEILEN. ICH DANKE DIR FÜR DIESE INFORMATIVE UND AUFSCHLUSSREICHE GESPRÄCH, LIEBER BRUNO. ES HAT MICH SEHR GEFREUT. ICH WÜNSCHE DIR ALLES GUTE AUF DEINEM ZUKÜNFTIGEN WEG.
Gerne geschehen, es war mir eine Freude, euch zu zeigen, wer wir sind.

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NATURZYT Ausgabe September 2022, Text Virginia Knaus Fotos und Illustration Virginia Knaus

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