Viele Schädlinge, die im Frühjahr scheinbar aus dem Nichts auftauchen, überstehen den Winter als winzige Eier oder Larven. Jedes Insekt hat seine eigene Überwinterungsstrategie und lässt sich mit geeigneten Massnahmen bereits während der kalten Jahreszeit gut in Schach halten.
Jeder Gartenbesitzer kennt das Phänomen im Frühling: Kaum herrschen wärmere Temperaturen und brechen die Knospen auf, bedecken bereits ganze Kolonien von Läusen die frischen Blättchen, und die Setzlinge werden über Nacht von Schnecken kahl gefressen. Woher all die Tierchen kommen, die sich an den Lieblingspflanzen gütlich tun, bleibt meist ein Rätsel. Beschäftigt man sich jedoch etwas mit dem Lebenszyklus der Insekten, wird schnell klar, dass sie wahre Überlebenskünstler sind. Grundsätzlich können alle bei uns heimischen und an die hiesigen Klimaverhältnisse angepassten Insekten den Winter problemlos überstehen. Je nach Art sind Insekten als Ei, Larve oder im adulten Stadium auch gegen tiefe Temperaturen widerstandsfähig. Allerdings vertragen sie nass kaltes Wetter über längere Zeit schlecht. Pilze machen dann den Tierchen zu schaffen, ein starker Befall kann sie sogar abtöten.
Direkte Massnahmen im frühen Frühling können helfen, schädliche Insekten im Garten im Schach zu halten. Dabei sollten jedoch nie die hilfreichen Nützlinge vergessen gehen, die ebenfalls überwintern und die geschützt werden sollten. Der Begriff «Schädling» existiert im naturnahen Gartenbau eigentlich nicht. Vielmehr sollte man von Nahrungskonkurrenten sprechen. Denn in der Natur sind alle Insekten auf ihre Weise nützlich, wichtig ist vor allem, dass das Gleichgewicht stimmt und nicht gestört wird.
Garten im Winter auf Insekten beobachten
Das ständige Wechselspiel der Räuber- Beute-Beziehung in der Natur erfordert von den Gärtnerinnen und Gärtnern Beobachtungsgabe und manchmal viel Geduld. Wir sollten uns über die ersten Läuse im Frühling freuen, denn dadurch sind Nützlinge wie Marienkäfer und Florfliegen versorgt und können ihre Population aufbauen. Damit die weniger erwünschten Insekten nicht überhandnehmen, ist es deshalb – neben direkten Massnahmen gegen Nahrungskonkurrenten – genauso wichtig, Nützlinge in den Garten zu locken. Durch das Kultivieren oder bereits nur Tolerieren gewisser, meist einheimischer Pflanzenarten können Nützlinge nachhaltig gefördert werden. In einem naturnahen Garten geht es vor allem darum, das Gleichgewicht zu finden. Zwar herrscht im Winter meist Ruhe – abgesehen von den Aktivitäten der Wühlmäuse –, doch das Leben der Natur sollte man trotz allem im Auge behalten. Es ist wichtig, den Garten auch in den kalten Monaten zu beobachten und allfällige Eigelege oder Larven von Insekten gezielt einzusammeln. Auf chemische Pflanzenschutzmittel sollte man hingegen im naturnahen Garten gänzlich verzichten – dadurch bringt man das ökologische Gleichgewicht durcheinander und schadet auch der eigenen Gesundheit. Folgende Massnahmen können bereits jetzt gegen Nahrungskonkurrenten eingesetzt werden:
Schnecken überwintern als Eier oder Tiere im Boden
Schnecken überwintern als Eier oder Tiere im Boden. Sie sind zwittrig, jedes Tier kann also Eier legen. Sie vermehren sich jedoch nur dann übermässig, wenn die Lebensbedingungen für sie stimmen. Die Gartenweg- und Ackerschnecken verbringen im Gegensatz zu ihren grösseren Verwandten den Hochsommer verborgen in der Erde und werden mit zunehmender Feuchtigkeit im Herbst wieder aktiv. Sie fressen selbst bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, also auch im Winter. Da diese Schnecken nicht sehr mobil und relativ standorttreu sind, kann man sie leicht entfernen. Legt man ausgepresste Orangenhälften aus, nutzen Gartenweg- und Ackerschnecken diese gerne als Unterschlupf und lassen sich so gut einsammeln. Schneckeneier überstehen den Winter meist im Kompost oder unter der Erdoberfläche. Die Eier sind weisslich bis durchsichtig, glänzend und rund. Im Frühjahr können zudem Bretter ausgelegt werden, um die jungen wie adulten Tiere besser einsammeln zu können. Die ruhige Zeit während des Winters kann zudem genutzt werden, um einen Schneckenzaun zu installieren.
Blattläuse verbringen die kalte Jahreszeit im Eistadium
Blattläuse sind wahre Vermehrungsspezialisten: Die kalte Jahreszeit verbringen sie im Eistadium. Die Läuse, die im Frühling schlüpfen, sowie ihre Nachkommen sind in der Lage, das ganze Jahr hindurch ohne Befruchtung lebende Jungtiere zu gebären. Ende des Jahrs bilden sich wieder Geschlechtstiere, welche Eier ablegen. Die Vermehrung ist rasant, denn Jungläuse können im Sommer bereits im Alter von 10 bis 14 Tagen Junge zur Welt bringen. Bevor die Nützlinge genügend aktiv werden, ist die Population der Läuse meist bereits sehr gross. Als Blattlaus-Liebhaber sind Marienkäfer und deren Larven bekannt:
Sie können ab Ende April auf stark befallenen Pflanzen ausgesetzt werden. Die Marienkäfer-Larven dürfen erst ab einer bestimmten Grösse auf die Blattläuse angesetzt werden, da sie sich sonst nicht gegen die Ameisen zur Wehr setzen können, welche die Blattlauskolonien pflegen und schützen. Bietet der Standort ihnen genug Nahrung und ideale Bedingungen, sind Marienkäfer relativ standorttreu. Die Eiablagen an den Trieben – schwarze, glänzende Kügelchen bei den Rosenläusen – können bereits im Winter von den Pflanzen abgestreift werden. Neben Marienkäfern gehören auch Schwebe- und Florfliegen sowie Ohrwürmer und Schlupfwespen zu den natürlichen Gegenspielern der Blattläuse.
Schild- und Wollläuse im Winter
Diese Läuse schützen sich im Gegensatz zu Blattläusen mit einem Schild aus wachsartigen oder wolligen Ausscheidungen vor Feinden und ungünstigen Witterungseinflüssen. Deshalb stellt ihre Bekämpfung meist eine Herausforderung dar. Beim Befall von Obstgehölzen, Beeren und Reben ist eine Austriebsspritzung im Januar oder Februar, bevor die Blätter treiben, zu empfehlen. Jedoch nur bei sehr starkem Befall: Mit der Winterspritzung auf paraffinölhaltiger Basis verschliesst man den Läusen und somit den unter dem Schild liegenden Eiern die Atemöffnungen. Doch auch Nützlinge ersticken. Eine andere Alternative gibt es kaum. Befallen Schild- oder Wollläuse Zimmerpflanzen, können der Australische Marienkäfer und seine Larven eingesetzt werden. Sie können jedoch nur in geschlossenen Räumen ausgesetzt werden, da sie Temperaturen von 22 bis 30 Grad Celsius benötigen und die Gefahr besteht, dass die Käfer wegfliegen. Der Australische Marienkäfer kann jedoch im Gegensatz zu seinem asiatischen Verwandten nicht zu einer invasiven Art werden, da er in unseren Breitengraden draussen nicht überwintern kann.
Weisse Fliege - Mottenschildlaus lieben Kohlgewächse
Jene Arten der Weissen Fliege, die sich vor allem an Kohlgewächsen gütlich tun, überwintern als adulte Tiere und sind so lange aktiv, wie sie Nahrung finden können. Deshalb ist es wichtig, alle Kohlpflanzen im Garten bis Ende Januar zu ernten und auszureissen. Ohne Nahrung sterben die saugenden Lästlinge bald. Auch das Gewächshaus wird gerne als Winterquartier benutzt, wo sich die Weisse Fliege durch die ganze kalte Jahreszeit fleissig vermehren kann. Wenn möglich sollte deshalb das Gewächshaus bis spätestens Ende Februar komplett ausgeräumt sein. Hygiene steht bei der Dezimierung der Weissen Fliegen an erster Stelle. Das Gewächshaus sollte vor der weiteren Benutzung im Frühling offen stehen gelassen werden, sodass alles durchfrieren kann. In ganzjährig genutzten Gewächshäusern oder Wintergärten können im Winter Encarsia-Schlupfwespen eingesetzt werden. Die Nützlinge sind auf eine Temperatur von mindestens 18 Grad Celsius angewiesen.
Lauchminierfliege liebt Zwiebelgewächse
In den letzten Jahren hat sich die Lauchminierfliege sehr stark ausgebreitet. Ihre Wirtspflanzen sind, wie der Name schon sagt, Zwiebelgewächse wie Lauch, Schnittlauch, Knoblauch und Zwiebeln. Die Lauchminierfliege macht zwei Generationen pro Jahr: Die ersten Fliegen schlüpfen im Frühjahr und stechen die Pflanzen an der Blattspitze an, wobei kleine silbrige Frasspunkte entstehen. Mit dem Legestachel werden die Eier in die Blätter abgelegt, und die daraus schlüpfenden Larven minieren das Laub. Nach drei Wochen verpuppen sich die Maden in der Pflanze, und im Herbst schlüpft dann die zweite Generation. Der Lebenszyklus beginnt von Neuem, die Puppen überwintern in der Pflanze. Um die Ausbreitung zu unterbrechen, sollte der Lauch bis Ende Februar geerntet werden. Zudem können die Larven auch in den geernteten und zum Trocknen aufgehängten Zwiebeln überwintern und bei genügend warmen Temperaturen ausfliegen. Deshalb ist eine genaue Kontrolle während der Ernte wichtig: Die Maden sind mit ihren vier Millimetern Grösse und durch ihre gelb-braune Färbung gut zu erkennen. Um den Befall zu reduzieren, können bei der Pflanzung von Zwiebelgewächsen im Frühling über die Beete ausgebreitete Insektenschutznetze helfen. Bei den Zwiebeln sollte man die Netze bis Ende Mai auf dem Beet lassen, beim Lauch von Mitte Juli bis zum ersten Frost.
Maden von Dickmaulräussler, Junikäfer und Maikäfer
Der nachtaktive Dickmaulrüsslerkäfer hinterlässt an hartlaubigen Pflanzen wie Rhododendron, Rosen und Kirschlorbeer halbrunde Frassspuren. Viel grössere Schäden richten jedoch seine Larven an, die als Engerlinge im Boden überwintern und an den Wurzeln nagen. Die Dickmaulrüssler- Larven haben eine Grösse von etwa 1,2 Zentimetern und sind an ihrem braunen Kopf zu erkennen. Beim Umgraben des Beets im Frühling oder bei der Neubepflanzung von Balkonkistli und Töpfen sollten die Engerlinge unbedingt entfernt werden. Um jedoch wirklich alle Larven zu erwischen, empfiehlt sich die Ausbringung von Nematoden von Ende April bis Anfang Juni. Nematoden sind kleine Fadenwürmer und suchen im Boden aktiv nach Dickmaulrüsslerlarven.
Auch die Engerlinge des Mai- und Junikäfers können durch den Wurzelfrass während des Winters in Wiesen und Rasen sowie an Beeren-, Obst- und Gemüsekulturen grossen Schaden verursachen. Gegen Maikäferlarven kann im März der Engerlingspilz «Beauveria» ausgebracht werden. Der Pilz wird auf Gerstenkörnern kultiviert und befällt, wenn er in den Boden eingearbeitet wird, nur Maikäferlarven. Vorsicht: Bei «Engerlingen» im Kompost handelt es sich meist um die Larven des Rosenkäfers, die sich auf dem Rücken fortbewegen. Sie gelten als Nützlinge.
Nahrung für Nützlinge im Garten
Grundsätzlich gilt es beim naturnahen Gärtnern immer zu berücksichtigen, dass in der Natur alle Insekten auf ihre Weise nützlich sind. Die Natur verfügt über ein gut funktionierendes Ökosystem. Ein starkes Auftreten von Schädlingen und Krankheiten an Pflanzen kann deshalb oft auch auf einen Mangel oder Überschuss mehrerer Faktoren zurückgeführt werden. Geeignetes Klima, Standort, Fruchtwechsel, Sortenwahl, bestmögliche Aussaat- und Pflanzzeit sowie ausgewogene Bewässerung und Düngung bieten die Grundlagen für ein gesundes Wachstum unter optimalen Bedingungen. Ein Eingreifen ins ökologische Gleichgewicht sollte sich deshalb nur auf Notfälle beschränken, andernfalls muss die Pflanzenwahl im Garten überdacht werden. Neben gezüchteten Rosen und Ziergehölzen sollten stets auch einheimische oder sogar standortheimische Pflanzen im Garten Platz haben. Indem sie Insekten Nahrung, Fortpflanzungsmöglichkeiten und Unterschlupf bieten, erhöhen sie die natürliche Vielfalt und somit die Stabilität des Ökosystems «Garten». Doch Nützlinge können nicht nur mit einheimischen Pflanzen wie Flockenblume, Dost und Pfaffenhütchen in den Garten gelockt werden. Besonders attraktiv sind auch Wiesenblumen mit offenem Blütenbau wie die Schafgarbe oder die Margerite, da deren Pollen und Nektar auch von kurzrüssligen Schwebefliegen aufgenommen werden können.
Eifrige Helfer unsere Nützlinge
Den Nützlingen zuliebe sollte zudem in jedem Garten die traditionelle Trennung zwischen Blumenrabatte und Gemüsebeet aufgegeben werden. Heil- und Gewürzkräuter, Klatschmohn und Ringelblumen sehen zwischen Salatköpfen und Lauchstängeln nicht nur schön aus, sondern locken die Nützlinge auch ins Gemüsebeet. Eine abwechslungsreiche Gestaltung erhöht den ökologischen Wert eines Gartens. Einheimische Heckensträucher sorgen während des ganzen Vegetationsjahrs für Nektar und Pollen.
Auch kleine Aufmerksamkeiten anderer Art wissen Nützlinge zu schätzen. Beim Räumen des Gartens sollte man Unterschlüpfe wie Gras- und Asthaufen für Blindschleichen, Kröten und Frösche lassen. Diese Tiere sind zwar sehr ortstreu, verlassen jedoch den Garten, wenn die Lebensbedingungen für sie nicht ideal sind. Insekten überwintern zudem gerne auf Hochstammbäumen, an begrünten Hauswänden, in alten Schuppen oder ungeheizten Estrichen. Besonders wertvoll sind ebenfalls Trockensteinmauern, Lesesteinhaufen oder Mulchmaterial wie Laub. Auch Vögel sind im Biogarten gern gesehene Gäste: Sie nutzen im Winter gesäuberte Nistkästen und picken zum Dank eifrig Insekten aus Rinden ritzen und Knospen. Von einer Winterfütterung ist jedoch abzuraten: Wenn, dann sollte man nur die Meisen mit Meisenknödeln in den Garten locken, denn sonst werden sie von anderen Vogelarten verjagt.
Beratungsstellen
Andermatt Biogarten AG
6146 Grossdietwil
Tel: 062 917 50 00
www.biogarten.ch
Auch Verkauf von Nützlingen und biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln Gartenberatung und Informationen zum Kursangebot des Landwirtschaftlichen
Zentrums Ebenrain
4450 Sissach
Tel: 061 552 21 21
www.ebenrain.ch
Gartenberatung Bioterra
Tel: 044 454 48 47
www.bioterra.ch
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NATURZYT Ausgabe Dezember 2018, Text Helen Weiss, Fotos AdobeStock