Verschneite Freiburger Voralpen bei Sonnenschein im Winter

Im Zweiten Weltkrieg lässt ein Major in den Freiburger Voralpen ein Ausbildungszentrum bauen. Heute ist das Soldatenhaus ein beliebtes Ausflugsziel mit bester Sicht auf die markige Gastlosen-Bergkette mit ihrem Grossmutterloch.

Auf was für Ideen der Mensch in Krisenzeiten kommt! 1943, mitten im Zweiten Weltkrieg, bemerkt Major Paul Wolf erhebliche Lückenim alpinen Training seiner Truppe. Also fasst der Kommandant der Gebirgsjäger den Bau eines Ausbildungszentrums für die Freiburger Soldaten ins Auge, die das Gebiet zwischen Jaunpass undSchwarzsee sichern. Die Idee trägt schnell Früchte: Eine Stiftung wird gegründet, ein Bauplatz gefunden, der Kanton Freiburg spricht 10 000 Franken Subvention, dann macht man sich ans Werk.Am Fuss der Gastlosen, auf 1752 Meter über Meer, sollen alpine Truppen Ausbildungen absolvieren und zivile Bergsteiger ein Dach über dem Kopf vorfinden, am liebsten Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten. Am 23. September 1945 – der Krieg ist seit einigen Tagen zu Ende – feiert man im «Chalet du Régiment» Eröffnung.

Freiburger Voralpen - wie die Dolomiten

Das Zentrum steht unter einem schlechten Stern. Die Auslastung ist dürftig, Modernisierungen und Unterhalt gehen ins Geld, zudem setzten die Launen der Natur dem Bau zu. Aufgeben? Die Stiftung Freiburger Soldatenhaus denkt nicht daran. Stattdessen wandelt sie das Ausbildungszentrum Schritt für Schritt zum gemütlichen Berggasthaus im Antlitz der Gastlosen, die Armee zieht aus. Die Gastlosen sind ein eigenwilliges Gebilde. Die 15 Kilometer lange Bergkette besteht aus 61 Gipfeln und mehreren Pässen, alle fein säuberlich nebeneinander aufgereiht, einem gigantischen, senkrecht stehenden Kamm ähnlich. 200 bis 400 Meter hoch sind die Kalkzähne, was ihnen den Übernamen «Saanenländer Dolomiten» eingetragen hat. Dort nämlich sind sie zu Hause, zwischen dem Berner Oberländer Saanenland und dem freiburgischen Jaun.

Verschneite Tannen und Bergketten in den Freiburger Voralpen
Ihren Beinamen «Dolomiten der Schweiz» haben die Gastlosen verdient.

Schneeschuhtrail zum Chalet auf den Gastlosen

Im kleinen, abgelegenen Dorf Jaun hat man den Wert von Gastlosen und Soldatenhaus, wie das Chalet du Régiment heute heisst, längst entdeckt. Das Gebiet ist im Sommer mit Bergwegen erschlossen, im Winter führt ein Schneeschuhtrail zum stattlichen Chalet. Der Sessellift, der uns zum Ausgangspunkt auf dem Musersbergli bringt, heisst – natürlich – Gastlosen-Express. Frühmorgens halten die Gastlosen die Sonne versteckt, also kommen wir nach zügiger Fahrt gut durchgefroren oben an. Schön wäre jetzt eine heisse Schokolade. Fehlanzeige, das Bergbeizli schlummert noch.

Die erste halbe Stunde teilt man die Bergwelt mit Schlittlern und Winterwanderern. Auf breiter Piste stapfen wir zum Gustiweidli, das die Touristiker zum Panoramaplatz erkoren haben. Die Aussicht darf sich sehen lassen. Auf der gegenüberliegenden Talseite hat die Sonne die Bergspitzen ins schönste Licht getaucht, weit unten bahnt sich der Jaunbach einen Weg durch die Enge. Sein Name bedeutet «die Kalte», und die ist weitreichend. Kalt und schattig ist es am Fuss der Gastlosen, was die Dramatik zusätzlich steigert.

Nach dem Panoramaplatz präsentiert sich die Bergkette erstmals in ihrer ganzen Schönheit. In den folgenden eineinhalb Stunden werden wir den Spitzen richtig nahe kommen. Nach einem kurzen, steilen Abstieg zweigt unser Trail links ab in den Stillwasserwald. Der Name könnte nicht treff ender sein. Still und geheimnisvoll ist es hier; jedes Mal, wenn die Bäume die Sicht freigeben, sind die Zähne der Gastlosen grösser geworden. Wer genau hinschaut, entdeckt in der scheinbar geschlossenen Felswand ein Loch, das Grossmutterloch. Der Teufel soll seine Grossmutter an den Gastlosen zerschmettert haben, weiss die Sage. Zwischen Dezember und Februar blitzt die Sonne für kurze Zeit durch die Öff nung. Uns bleibt das Schauspiel vergönnt, heute guckt die Sonne erst kurz vor dem Soldatenhaus hinter den Bergen hervor.

Verschneiter Hügelkamm im Winter
Vom namenlosen Hügel hinter dem Soldatenhaus hat man den besten Blick auf die Gastlosen.

Flankiert von Wandfluh, Dent de Ruth und Hochmatt

Der Ort, den Major Paul Wolf für sein Ausbildungszentrum ausgesucht hat, ist einzigartig. Nicht nur fallen einem die Felswände der Gastlosen fast auf den Kopf. Vor uns breitet sich die Welt des Petit Mont aus, flankiert von Wandfluh, Dent de Ruth und Hochmatt. Dass das Soldatenhaus im Winter unter der Woche geschlossen ist, stört kaum. Die grosse Sonnenterrasse hat man dann fast für sich. Vor dem Picknick aber will der namenlose Hügel hinter dem Chalet bestiegen sein. Vom Punkt 1804 überblickt man die Gastlosen-Szenerie wie von einem Balkon.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Zurück geht’s auf überschneiter Alpstrasse nach Unter Sattel, wo wir auf den Schlittelweg treffen. Wenig später könnten wir auf einen Schneeschuhtrail abzweigen. Doch der ist mit Tücken gespickt. Die Tobel im Wald sind steil, der Pfad bisweilen schmal und exponiert. Wem der Sinn nach gemütlichem Auslaufen steht, bleibt dem Schlittelweg bis nach Jaun treu. Das Dorf ist das dritte Unikat des Tages. Jaun ist der einzige deutschsprachige Ort im Bezirk Gruyère, was einen speziellen Dialekt hervorgebracht hat. Man darf sich nicht wundern, wenn es im Restaurant zwar deutsch tönt, man aber trotzdem kein Wort versteht.

Tipps und Informationen zur Wanderung in den Freiburger Voralpen

Schneeschuhtour: Musersbergli – Gustiweidli – Stillwasserwald – Soldatenhaus / Chalet du Soldat – Abstecher zu Punkt 1804 – Soldatenhaus / Chalet du Soldat – Unter Sattel – Gross Rüggli – Jaun.
Varianten: Den Abstecher zu Punkt 1804 auslassen spart eine halbe Stunde. Ist der Schneeschuhtrail geöffnet, auf diesem nach Jaun absteigen. Der Trail zweigt kurz vor Gross Rüggli rechts ab und führt etwas abenteuerlich durch Wald und Tobel.
Anforderungen: Technisch ist die Tour einfach. Einzig der Abstecher zu Punkt 1804 erfordert etwas Vorsicht, die Hänge links und rechts des Grats sind steil. Die reine Wanderzeit beträgt 4,5 Stunden.
Fuchs und Hase: Keine Wildruhezonen in der Nähe.
Orientierung: In der Regel einfach. Die Tour ist signalisiert, zum Teil aber spärlich.
Ausrüstung: Nebst Schneeschuhen gehören eine Lawinenausrüstung und eine Karte zum Bestandteil einer Schneeschuhtour. Das Lawinenbulletin ist unter www.slf.ch abrufbar.
Einkehrmöglichkeiten: In Jaun, auf dem Musersbergli und an den Wochenenden im Soldatenhaus.
Anreise: Mit dem Zug nach Bulle, mit dem Bus nach Jaun Kappelboden, mit dem Sessellift aufs Musersbergli (ab Mitte März Wochenendbetrieb). Zurück ab Jaun Dorf auf gleichem Weg.
Karten: Swisstopo-Landeskarte 1:25 000, Blatt Boltigen (1226); Schnee- und Skitourenkarte 1:50 000, Blatt Gantrisch (253S).

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NATURZYT Ausgabe Dezember 2018, Text, Fotos Daniel Fleuti

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