Tanne und Sommeriwese auf dem Rigi Rotstock

Legendär ist die Geschichte von Mark Twain, der 1879 von Weggis auf die Rigi wanderte, um den Sonnenaufgang zu erleben – und ihn nicht fand. Auf den Spuren des Schriftstellers kann man heute noch den Berg erklimmen.

Drei Tage benötigten der amerikanische Schriftsteller Mark Twain und sein Freund Harris, um die Rigi zu erklimmen. Den Sonnenaufgang wollten sie bestaunen, von dem Baedecker in seinem Reiseführer schwärmte, in dem auch stand, der Gipfel sei von Weggis in drei und einer viertel Stunde zu erreichen. Geschichten für ein ganzes Buch haben die beiden erlebt. Nur den Sonnenaufgang sahen sie nicht. Als Mark Twain und Harris am Abend des dritten Tages auf Rigi Kulm ankamen, waren sie so erschöpft, dass sie den nächsten Tag verschliefen und statt der aufgehenden Sonne die untergehende bewunderten – und den Fehler erst bemerkten, als diese verschwunden war. Am nächsten Morgen suchten sie die Sonne in der falschen Himmelsrichtung und verpassten deren Aufgang erneut.

Blumenschild neben gelbblühender Blume auf dem Blumenpfad der Rigi
Blumen kennen lernen, an der Rigi gelingt's.

Die Rigi-Bahn befördert fast 800 000 Besucher pro Jahr

Mark Twains Buch zu seiner Rigibesteigung hat den Berg berühmt gemacht. Bekannt war er schon vorher. Ab dem 19. Jahrhundert strömten Gäste aus aller Welt auf den Gipfel, um die Aussicht und den Sonnenaufgang zu bewundern. Wer nicht wandern mochte, wurde für sechs Franken auf dem Pferd oder in der Sänfte hochgetragen. Die Rigi war ein Modeberg; sie ist es bis heute geblieben. Knapp 800 000 Besucher befördert die Rigi-Bahn pro Jahr, Hotels, Restaurants, Wellnessangebote und dergleichen gibt es in rauer Menge. Der Grund für die Popularität ist schnell gefunden: Die Rigi liegt, einer Insel ähnlich, zwischen Vierwaldstätter-, Zuger- und Lauerzersee. Entsprechend schön ist das Panorama. Auf dem Kulm überblickt man nahezu die ganze Schweiz.

Der Weg, den Mark Twain gegangen ist, existiert immer noch. Nebst unzähligen anderen, die das Massiv überziehen. Ja, die Rigi ist kein Berg, sondern ein freistehendes Massiv, bestehend aus Schluchten, Terrassen und Gipfeln, von denen der Kulm der höchste ist. Da hat man als Wanderer die Qual der Wahl. Wir entscheiden uns gegen Mark Twain und wählen eine «wildere» Route für die Rigi-Besteigung. Der Geissrügge hat es uns angetan, ein steiler Grat aus Nagelfluh, über den sieben Leitern hinweghelfen. Ab und zu müsse man auch die Hände zu Hilfe nehmen, lesen wir.

Wanderin auf Holzbank auf dem Rigi Rotstock
Fast so schön wie auf der Klum: Rast auf Rigi Rotstock.

Dem Tannenberg und Stutzberg entgegen wandern

Gespannt auf etwas Abenteuer starten wir wie damals Mark Twain in Weggis. Bei der Gondelbahn nach Rigi-Kaltbad warten erste Gäste aus Asien auf Einlass, sie machen sich den Aufstieg leicht. Wir hingegen sehen uns bald die ersten steilen Wälder und Weiden hochkeuchen, dem Tannenberg und Stutzberg entgegen. Wie so oft bei einer Gipfelbesteigung läuft der beste Film hinter dem Rücken ab. Die Aussicht auf Vierwaldstättersee, Bürgenstock, Pilatus und Luzern wird von Terrasse zu Terrasse eindrücklicher, vorausgesetzt, man dreht sich um. Ansonsten zieren Bäume, Blumen und Kühe das Bild, was auch nicht zu verachten ist.

Nach der Alp Stutzberg gönnt uns der Weg ein wenig Schnauf. Die Steigung wird moderater, das Panorama um Küssnacht am Rigi und einen Seezipfel erweitert. Wieder im Wald, vertrauen wir dem kleinen Holzschild mit der Aufschrift Müseralp, dem nächsten Ziel. Ein deutlicher Trampelpfad führt uns auf einen Wanderweg und dieser hinein in eine urtümliche Baum- und Steinlandschaft . Die Rigi besteht aus Kalk, Flysch und Nagelfl uh. Weil die Gesteinsplatten schräg stehen, sind gewisse Hänge beinahe senkrecht, andere sanft abfallend. Unserer ist gerade sehr steil und mit Nagelfl uhfelsen und Tannen übersät. Schön, haben die Wegmacher den Pfad etwas breiter gebaut und mit Sicherungen versehen. Nach der Müseralp wechseln wir zum Hangtyp sanft abfallend, was immer noch steil genug ist, zumal die Sonne auf den breiten Rücken knallt, der uns zum Einstieg des Geissrügge bringt.

Steile Metaltreppe durch den Wald am Geissrügge
Über sieben Leitern musst du gehen - am Geissrügge

Geissrügge. Da ist der Grat, auf dem wir die 200 Höhenmeter bis zum Chänzeli überwinden. Purer Bergwanderspass. Kraxelnd und Leitern steigend überwinden wir kleinere und grössere Felsen aus Nagelfluh, dazwischen schlängelt sich der Weg durch wilde Waldpartien. Nach der siebten und letzten Leiter öffnet sich ein gewaltiger Tiefblick auf den See und die Zentralschweiz. Da heisst es Luft anhalten und staunen.

Auch die Königin Viktoria von England war ab der Rigi-Aussicht «amused»

Auf dem Chänzeli folgt der Schock. Sind wir bislang keinem Menschen begegnet, ist nun bunter Touristenjubel angesagt. Wir stehen, nebst dem Kulm, auf dem wohl meistbesuchten Aussichtspunkt der Rigi-Kette, sogar Königin Viktoria von England war bei ihrem Besuch «amused». Bis Staffelhöhe gibt es kein Entrinnen, wir wandern mit unzähligen Ausflüglern weiter dem Gipfel entgegen. Für Abwechslung sorgt der Blumenpfad. 890 Blumenarten, darunter 19 Orchideen, gedeihen auf dem Berg. 69 hat Pro Rigi, die Vereinigung zum Schutz der Rigi, mit Schildern versehen. Wer jetzt Arnika noch mit Margeriten verwechselt, hat schlecht aufgepasst.

Schmaler Wanderweg durch den Wald an Felsen vorbei an der Müseralp
Lauschiger Abschnitt und ein wenig Aufstiegspause Richtung Müseralp

Auf der Staffelhöhe sagen wir dem Menschenstrom vorübergehend Tschüss und wenden uns dem Rotstock zu, einem der vielen Rigigipfel. Der Blick von seinem Haupt ist genauso schön wie eine Stunde später vom Kulm, und die Ruhe ist wohltuend. Keine Sandalen, keine Selfiesticks. Dafür nette Gespräche mit den wenigen anderen Wanderern, die den Weg hierhin gefunden haben. Den Kulm lassen wir uns trotzdem nicht nehmen. Für den Schlussanstieg hat man uns den Umweg über die Kulmhütte empfohlen, hier leisten einzig Kühe und Bäume Gesellschaft . Den Überfall auf dem Gipfel meistern wir umso mehr mit einem Grinsen: Asiatische Touristen sind wild auf Erinnerungsbilder mit verschwitzten Schweizer Wanderern. Also packen sie uns und schiessen Fotos, was das Zeug hält. Der Selfiestick fliegt uns um die Ohren. Rigi Kulm – wir sind angekommen.

Tipps und Informationen zur Wanderung von Weggis auf die Rigi

5 Stunden und 1500 Höhenmeter bergauf – ein Komplettaufstieg auf die Rigi geht ans Lebendige. Bezwingt man den Berg von Weggis über den Geissrügge, das Chänzeli und das Rothorn, erlebt man ein Feuerwerk an Landschaftsbildern und Eindrücken.
Wanderung: Weggis–Tannenberg–Stutzberg–Bärgli–Müseralp–Geissrügge– Chänzeli–Staffelhöhe–Rotstock–Staffel–Kulmhütte–Rigi Kulm. Varianten: Wem die sieben Leitern über den Geissrügge zu wenig wild sind, wählt von der Müseralp den Weg durch die Nagelfl uhfelsen der Steigle nach Rigi Kaltbad. Von dort direkt auf den Rotstock. Den Rotstock kann man auch auslassen und von der Staffelhöhe auf dem breiten Weg direkt auf Rigi Kulm aufsteigen. Spart eine Dreiviertelstunde.
Anforderungen: Gute Kondition und stabiles Wetter sind Voraussetzung für die Tour. Gut 5 Stunden reine Wanderzeit und 1500 Höhenmeter bergauf. Der Grat- und Leiternweg über den Geissrügge ist nicht schwierig, fordert aber den Einsatz der Hände.
An- und Rückreise: Mit dem Zug über Luzern nach Küssnacht am Rigi, dort wartet der Bus nach Weggis Post. Zurück mit dem Zug ab Rigi Kulm über Arth Goldau und Zürich.
Einkehr: In Weggis und in zahlreichen Bergrestaurants zwischen Rigi Staffelhöhe und Rigi Kulm. Unterwegs viele schöne Rastplätze, zum Beispiel auf dem Chänzeli und dem Rotstock.
Karten: Swisstopo-Wanderkarte 1:50 000 Blatt Rotkreuz (235T); Swisstopo-Landeskarte 1:25 000 Blatt Rigi (1151).

Weitere Sommerwanderungen die es zu erleben gibt:

Wanderung in der Urwelt des Gasterntals

Wandern in der Sagen- und Urwelt des Val Müstair

Wanderung im Unterengadin zum God Tamangur


NATURZYT Ausgabe Juni 2020, Text/Fotos Daniel Fleuti

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