Biber schwimmt im Wasser

200 Jahre nach seiner Ausrottung in der Schweiz und 60 Jahre nach den ersten Aussetzungen hat der Biber bei uns definitiv wieder Fuss gefasst. Immer mehr erobert sich das grösste einheimische Nagetier sein Stammland zurück. Rund 2000 Tiere besiedeln heute das Schweizer Mittelland.

Kein anderes einheimisches Tier kann seinen Lebensraum so radikal verändern wie der Biber. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten sind auf die vom Biber geschaffenen Lebensräume angewiesen. Mit dem Biber kehrt auch die Artenvielfalt wieder an unsere Gewässer zurück. Wegen seiner Schaffenskraft macht sich der Biber aber nicht nur Freunde. Einblick in das verborgene Leben eines Tieres, von dem man meist nur seine Spuren sieht.

Perfekt an ein Leben im Wasser angepasst

Der Europäische Biber, Castor fiber, ist das grösste einheimische Nagetier. Mit einem Gewicht von 20–25 kg und einer Körperlänge bis zu einem Meter ist er schwerer als ein Reh. Sein ganzer Körper ist an ein Leben im und am Wasser angepasst. An Land wirkt er eher gedrungen und plump, im Wasser ist er dafür umso agiler: Er besitzt einen torpedoförmigen Körper, der ihn zum perfekten Schwimmer macht. Im Wasser liegen Nase, Augen und Ohren auf einer Linie knapp über der Oberfläche. So kann er seine Umgebung überwachen und ist selbst nur schwer zu entdecken. Nebst dem für Biber typischen Schwanz, auch Kelle genannt, sind die unterschiedlich grossen Vorder- und Hinterpfoten sehr auffällige Merkmale. Die Hinterpfoten, so gross wie eine Menschenhand und ausgestattet mit Schwimmhäuten, dienen dem Biber als Antrieb beim Schwimmen. Die Vorderpfoten sind richtige Hände mit starken Krallen, mit denen er geschickt zugreifen kann. Damit gräbt er seine Baue auch in die härtesten Uferböschungen. Wohlig warm hat’s der Biber dank seinem äusserst dichten Fell mit bis zu 23 000 Haaren pro Quadratzentimeter. Dieses schützt ihn selbst bei Minustemperaturen vor dem Erfrierungstod, wenn er klatschnass am Ufer sitzt.

Biber von vorne am Hang eines Flusses
Der Biber markiert sein Revier am Ufer. Schön zu sehen sind die schuppige Kelle und die Schwimmhäute an den Hinterpfoten.

Gefressen wird alles, was spriesst

Als reiner Vegetarier ist der Biber in seiner Nahrungswahl sehr flexibel. Sein Speiseplan wird hauptsächlich von der Jahreszeit bestimmt. Im Sommer frisst er praktisch alle verfügbaren krautigen und verholzten Pflanzen. Im Winter, wenn die Vegetation ruht, ernährt er sich ausschliesslich von Rinde und Knospen von Sträuchern und Bäumen, mit Vorliebe Weichhölzer wie Weiden oder Pappeln. Weil er nicht klettern kann, fällt er die Bäume mit seinen scharfen Nagezähnen oder hinterlässt die typischen sanduhrförmigen Bäume. Ganz besonders lieben Biber aber landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Zuckerrüben oder Mais, die ihnen bisweilen direkt vor die Haustür gepflanzt werden. Doch bleiben die Flächen, die sie auf ihren nächtlichen Touren leeren, meist sehr bescheiden und auf wenige Aren beschränkt. Die Verluste werden von Bund und Kantonen auch entschädigt.

Baum welcher von Biber angefressen wurde
Wo der Biber den Zahn anlegt, fliegen die Späne.

Die Familie ist alles

Biber leben in einem engen Familienverband bestehend aus den Eltern und zwei Jungengenerationen. Einmal im Jahr zwischen Mai und Juni bringt das Weibchen 2–4 Junge zur Welt. Zwei Jahre bleiben diese in der Familie und werden von den Eltern und den älteren Geschwistern stark umsorgt. Wenn die dritte Geschwistergeneration zur Welt kommt, gehen die 2-jährigen Biber auf Wanderschaft, sie müssen die Familie verlassen und ein eigenes Revier an einem freien Ufer suchen. Im Durch schnitt leben 5 Biber in einer Familie. Sie markieren und verteidigen einen Gewässerabschnitt gegen Artgenossen. Die Grösse der Reviere hängt von der Menge der vorhandenen Winternahrung ab, die einer Familie ein langfristiges Auskommen sichert. Ein Biberrevier ist zwischen 500 Meter und mehrere Kilometer lang.

Eine Biberpopulation wächst nicht ins Uferlose

Biberfamilien verteidigen ihr Revier gegen junge Eindringlinge, mitunter bis zum Tod. Je mehr besetzte Reviere an einem Gewässer sind, desto höher wird die Sterblichkeit wandernder Zweijähriger. Je dichter eine Population gepackt ist, desto mehr nimmt der innerartliche Stress zu, es kommt zu einer verminderten Nachwuchsrate und einer erhöhten Sterblichkeit, was zu einer Abnahme der Population führt. Eine Biberpopulation wächst also nicht ins Uferlose sondern nur gerade so weit, bis alle geeigneten Ufer besetzt sind.

Mehrzimmerwohnung mit Unterwassereingang

Biber bauen sich ihre Wohnungen selber. Ist die Uferböschung genügend hoch, graben sie sich eine Höhle ins Erdreich. Der Eingang dazu liegt sicherheitshalber immer unter Wasser. Ist die Böschung flach, schichten sie einen riesigen Holzhaufen auf, in den sie ebenfalls vom Wasser her mit den Zähnen die Höhlen ins Holz «fräsen». Grosse Biberfamilien können so Burgen mit mehreren «Sälen» bauen.

Biberfamilie am essen am Seeufer
Das Leben spielt sich in der Familie ab: Eltern mit Jungtieren beim Fressen und Putzen

Der Biber schafft neue Lebensräume

Biber besitzen eine unglaubliche Schaffenskraft, wenn sie Zahn und Pfote an ihren Lebensraum anlegen. Falls ihr gewähltes Gewässer noch kein Biberparadies ist, helfen sie mit Geschick und Ausdauer solange nach, bis es ihren Vorstellungen entspricht und ihre Bedürfnisse befriedigt. Dazu stauen sie Bäche zu Teichen und regulieren mit ihren Dämmen den Wasserstand. Diese können Ausmasse von bis zu 3 Meter Höhe und mehrere hundert Meter Länge erreichen.

Um an das benötigte Bauholz zu kommen, lichten sie Waldstücke auf, graben Tunnel und Verbindungskanäle, leiten Wasser um und setzen ganze Flächen unter Wasser. Biber gestalten und prägen seit Jahrmillionen die Gewässerlandschaft Europas. Durch den Biber sind überhaupt erst Teiche und Waldlichtungen in grosser Zahl entstanden und somit auch neue Lebensräume, in denen sich neue Arten entwickeln konnten – der Biber wurde somit zu einem echten Evolutionsfaktor.

Biberburg an einem Teich im Frühling
Biberburg an einem Teich. Die Burg wird Anfang Winter mit Schlamm gegen Durchzug und Regenwasser abgedichtet.

Er schafft jedoch nicht nur Lebensräume, er sorgt auch für eine dauerhafte Dynamik, die die Biodiversität hoch hält: Biberteiche verlanden durch den ständigen Eintrag von Sedimenten, oder die Dämme brechen und die Teiche laufen aus. Dadurch entstehen viele kleinräumige Pionierstandorte, die von einer eigenen Tier- und Pflanzenwelt besiedelt werden. Durch das Fällen von Bäumen ändert der Biber die Lichtverhältnisse im Wald grundlegend. Gefällt wird vor allem dort, wo die bevorzugten Nahrungsbäume vorhanden sind oder wo gerade Bauholz für Dämme oder Burgen gebraucht wird. Das kann von Jahr zu Jahr stark variieren. Mehr Licht fällt auf den Boden und begünstigt vor allem Pionierarten wie Weiden oder Pappeln. Biber fördern so manche Pflanzenart und beeinflussen damit die Zusammensetzung der Baum-, Kraut- und Strauchschicht. Werden Bäume nur als Nahrung gefällt, bleibt bis zu dreimal mehr Totholz liegen als in biberfreien Auen – Totholz, ein Lebensraumtyp, der bei uns sehr rar ist: Totholzbewohner sind bei uns besonders gefährdet. Und nicht zuletzt gräbt er überall seine Baue und Fluchtröhren in die Uferböschung und schafft Angriffspunkte für die Erosion bei Hochwasser.

Durch das Nebeneinander von sedimentreichen Biberteichen, Flachwasserzonen sowie sandigen oder kiesigen, sauerstoffreichen Fliessstrecken unterhalb der Biberdämme steigt auch die Zahl der Fischarten in Bibergewässern deutlich an. Im Freisinger Mühlbach in Bayern hat sich die Zahl der vorkommenden Fischarten durch die vom Biber neu geschaffenen Lebensräume von 8 auf 18 mehr als verdoppelt. Aber nicht nur die Artenzahl nimmt zu, sondern auch die Individuenzahl: Bis zu 80 Mal höher ist die Fischdichte im Biberrevier als im biberfreien Gewässer.

Biberfdamm der das Wasser eines Teich staut
Mit einem Damm reguliert der Biber sein Gewässer. Aus einem ehemals einfach fliessendem Bächlein wird ein grosser Biberteich.

Wo der Biber aktiv ist, da blüht das Leben

Von seiner Schaffenskraft profitieren zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, ja sie sind zum Teil sogar direkt auf den Biber und seine Lebensräume angewiesen. Verschwindet der Biber, verschwinden mit ihm auch zahlreiche Arten. Zwar hat dies während der Ausrottung des Bibers kaum jemand dokumentiert. Mit seiner Rückkehr kann man jedoch in allen Teilen Europas beobachten, wie verschiedene Arten dank den von ihm geschaffenen Lebensräumen wieder heimisch werden und in ihren Beständen zum Teil stark zunehmen. Besonders profitieren Fische, Amphibien, Reptilien, Libellen und Totholzbewohner sowie zahlreiche Pflanzen und Pilzarten. Der Biber gilt deshalb als Schlüsselart der Gewässer.

Wasser mit verschiedenen umgefallenen Bäumen
Eine Biberfamilie hat ganze Arbeit geleistet. Heute ist dieses Waldstück in Marthalen ein Waldreservat

Eine bewegte Geschichte

Seit 15 Millionen Jahren entfaltet der Europäische Biber seine landschaftsgestalterischen Fähigkeiten und verändert die Gewässerlandschaft nachhaltig. Gegen 100 Millionen Tiere besiedelten einst die Gewässer zwischen Nordafrika und dem Polarkreis. Doch dann kam der Mensch und machte ihm innert kurzer Zeit beinahe den Garaus. Anfang des 20. Jahrhunderts blieben gerade noch 1000 Tiere übrig. Zum Verhängnis wurden ihm sein dichtes Fell und das Castoreum oder auch Bibergeil, ein Drüsensekret, das zur Markierung seines Reviers dient. Dieses wurde wegen seines hohen Gehalts an Salicylsäure bisweilen mit Gold aufgewogen. Salicylsäure ist in Weidenrinde enthalten, der bevorzugten Nahrung der Biber im Winter. Salicylsäure ist heute Wirkstoff in Aspirin.Die komplette Veränderung der Gewässer und die damit zusammenhängende Vernichtung von Biber-Lebensräumen in der Schweiz hatte hingegen keinen Einfluss auf sein Verschwinden: Der letzte Biber der Schweiz wurde bereits Anfang des 19. Jahrhunderts erlegt.

Strenger Schutz und Wiederansiedlungen

Seit 1962 ist der Biber in der Schweiz streng geschützt. Zwischen 1956 und 1977 sind 141 Tiere wieder angesiedelt worden. 1978 waren es aber nur noch 132 und 1994 erst 350 Tiere. Aufgrund der wenigen Individuen und der weit verstreuten kleinen Populationen landete der Biber 1994 auf der Roten Liste in der höchsten Gefährdungsklasse als vom Aussterben bedroht. Im Winter 2008 wurde das letzte Mal intensiv gezählt: 1600 Biber lebten damals in der Schweiz. Heute schätzen wir den Bestand bereits auf 2000 Tiere. Hoffentlich bald können wir den Biber von der Roten Liste streichen – ein grosses Ziel im Artenschutz wäre dann erreicht.

Weltweit ist der Europäische Biber heute keine gefährdete Art mehr. 2008 ist er von der Weltnaturschutzorganisation (IUCN) mit einer geschätzten Population von mindestens 700 000 Tieren von der Roten Liste entfernt und als nicht mehr gefährdet eingestuft worden.

Schweizer Karte mit Verbreitung des Bibers
Verbreitung des Bibers 2013. 2000 Tiere leben im Schweizer Mittelland

Wichtiger Partner für die Zukunft

Der Biber muss in Zukunft unbedingt in Revitalisierungsprojekte mit einbezogen werden. Werden seine räumlichen Ansprüche von 10–20 Meter beidseits der Gewässer berücksichtigt, kann er die Gewässer konfliktfrei bewohnen und uns im Gegenzug helfen, diese natürlicher zu gestalten, und dies billiger und besser, als es jede menschliche Massnahme könnte. Schützen wir den Biber, schützen wir nicht nur eine einzelne Art, sondern ganze Lebensgemeinschaften und somit die Biodiversität an Gewässern.

Konflikte mit Bibern

Biber machen in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft nicht nur Freude. Wenn sie den falschen Baum fällen, mit ihren Dämmen ganze Drainagesysteme unter Wasser setzt oder Uferwege zum Einstürzen bringen, hört bei vielen der Spass auf. Es gibt eine Vielzahl von Lösungen für Biberkonflikte (www.biberfachstelle.ch/Konflikte). Ganz allgemein kommt es aber überall da zu Konflikten, wo die Gewässer keinen Platz haben. Mit einem Uferstreifen von 10–20 Metern lassen sich fast sämtliche Konflikte vermeiden.

Biberprojekte in Ihrer Umgebung

Hallo Biber! ist ein Projekt von Pro Natura und setzt sich für den Schutz und die Förderung des Bibers in der Schweiz ein. Mehr Infos dazu finden Sie unter www.hallobiber.ch

Wissenswertes zur Biberfachstelle

Die Biberfachstelle ist eine Beratungs- und Koordinationsstelle des Bundes. Sie koordiniert in Sachen Biberfragen zwischen Bund und Kantonen sowie mit anderen Organisationen und Beratungsstellen. Sie berät bei Konflikten und hilft nach Lösungen suchen.

Wie erkennen Sie Biberspuren?

Eine Übersicht über alle möglichen Biberspuren finden Sie unter www.biberfachstelle.ch erkennen.

Weitere spannende Schweizer Wildtiere die es zu erfahren gibt:

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Der Goldschakal in der Schweiz ist heimlich auf dem Vormarsch

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NATURZYT Ausgabe März 2014, Text/Fotos Christof Angst, Biberfachstelle

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